Buchtipps

 
Buchtipps

Alex Beer: Die weiße Stunde. Ein Fall für August Emmerich
Limes Verlag, 2024

Für mich der bis jetzt spannendste Emmerich-Krimi aus der Feder von Alex Beer. Die Geschichte ist vielschichtig, verwoben und endet mit einem Cliffhanger – grrrr – der darauf hoffen lässt, dass der nächste Teil nicht lange auf sich warten lässt. Fabelhaft recherchiert, ein Eintauchen in die Geschichte und das Leben ins Wien der 20er Jahre ist garantiert und bei August Emmerich menschelt es. Absolute Leseempfehlung – natürlich auch als Hörbuch, das wieder von Cornelius Obonya gelesen wird.

Drei ungelöste Frauenmorde und ein Täter, der zurückgekehrt zu sein scheint ...
Wien 1923. Die Stadt gleicht einem Pulverfass, die politischen Lager haben sich radikalisiert, die Hakenkreuzler sind auf dem Vormarsch. Mitten in dieser angespannten Situation geschieht ein aufsehenerregender Mord: Marita Hochmeister, eine stadtbekannte Gesellschaftsdame, wird brutal erschlagen in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Einen Tag später weist ein pensionierter Kriminalinspektor den Ermittler August Emmerich auf eine ungelöste Mordserie hin - damals, vor zehn Jahren, wurden drei Frauen auf ähnlich grausame Weise getötet wie das Opfer. Kann es sein, dass der Mörder zurückgekehrt ist? Und wenn ja, kann Emmerich ihn stellen, bevor er erneut zuschlägt?


Carsten Henn: Der Geschichtenbäcker
Piper Verlag, 2022

Für alle Fans vom „Buchspazierer“, denn auch in diesem Buch steckt viel Liebe. Es wird über den Sinn des Lebens philosophiert und alle Protagonisten sind auf der Suche nach dem Glück des Lebens und suchen ihren Weg zur Zufriedenheit. Im Mittelpunkt stehen die liebenswerte Sofie, die im etwas verschrobenen Bäcker Giacomo eine Art Mentor findet, der von Beginn an ihr Wesen erkennt und sie liebevoll anleitet wieder zu sich selbst zu finden. Erst gegen Ende der Geschichte erfahren wir, dass auch Giacomo selbst einen schweren Weg hinter sich hat, der ihn aber schließlich zu dem warmherzigen Menschen macht, der er nun ist.

Brot backen ist fast wie ein Tanz. Teig wird rhythmisch geknetet, die Drehung der Hände, der Schwung der Hüfte geben ihm Geschmeidigkeit. Fasziniert beobachtet die ehemalige Tänzerin Sofie den italienischen Bäcker Giacomo bei seiner Arbeit. Eigentlich wollte sie den Aushilfsjob in der Dorfbackstube gleich wieder kündigen. Zu sehr hat das Ende ihrer Karriere ihr Leben aus der Bahn geworfen. Wer ist sie, wenn sie nicht tanzt? Wer wird sie lieben, wenn sie nicht mehr auf der Bühne strahlt? Doch überraschend findet Sofie in der kleinen Bäckerei viel mehr als nur eine Beschäftigung: die Weisheit eines einfachen Mannes, das Glück der kleinen Dinge und den Mut zur Veränderung.


Carsten Henn: Der Buchspazierer
Piper Verlag, 2024

Ein „Buchspazierer“ – eine Erfindung von Carsten Henn – quasi ein „Buchhändler on the road“, der seinen schrulligen Kunden Bücher bringt. Anfangs Bücher, die den Menschen gefallen, später Bücher die sie in ihren Entscheidungen beeinflussen sollen. Dass der Buchspazierer selbst auch schrullig ist, einsam und zurückgezogen inmitten unzähliger Bücher lebt und seine Heimat schon seit vielen Jahren nicht mehr verlassen hat, liegt auf der Hand. Ebenso seine Entwicklung, angestoßen durch ein kleines Mädchen, das den Buchspazierer schleichend um den Finger wickelt und fordert sein Leben in die Hand zu nehmen. Eine recht einfache aber wunderschöne Geschichte für alle, die Bücher und Happy Ends lieben! Und wer lieber schaut, als liest, der schaut sich den Film im Kino an!

Es sind besondere Kunden, denen der Buchhändler Carl Christian Kollhoff ihre bestellten Bücher nach Hause bringt, abends nach Geschäftsschluss, auf seinem Spaziergang durch die pittoresken Gassen der Stadt. Denn diese Menschen sind für ihn fast wie Freunde, und er ist ihre wichtigste Verbindung zur Welt. Als Kollhoff überraschend seine Anstellung verliert, bedarf es der Macht der Bücher und eines neunjährigen Mädchens, damit sie alle, auch Kollhoff selbst, den Mut finden, aufeinander zuzugehen...

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Petra Hartlieb: Freunderlwirtschaft
Dumont Verlag, 2024

Die Vorbemerkung der Autorin Petra Hartlieb „Auch wenn Sie glauben, dass Ihnen in diesem Roman einiges bekannt vorkommt, möchte ich betonen: Die Geschichte ist zur Gänze von mir ausgedacht.“ ist der erste Seitenhieb und macht neugierig. Denn Aha-Momente gibt es reichlich: Von transportierten Laptops, über Lebensmenschen bis hin zu Kurz-Nachrichten mit brisantem Inhalt. Der Kriminalfall ist gut aufbereitet, die Protagonisten sind überaus sympathisch, die Dialoge witzig. Allerdings funktioniert die Geschichte nur, weil die meisten Details, die für den Plot tragend sind, auch tatsächlich passiert und aus der innenpolitischen Berichterstattung der vergangenen Jahre geläufig sind. Das Lesevergnügen ist jedoch ein großes, Spaß und Unterhaltung sind garantiert: eine Persiflage auf die österreichische Innenpolitik und alle Menschen, die hier leben!

Es ist Kommissarin Alma Oberkoflers erste Woche in Wien, und schon hat sie einen toten Politiker am Hals. Max Langwieser: jung, konservativ, aufstrebend, Minister und bester Freund des Kanzlers, hat sich den Schädel an seinem Designerglastisch aufgeschlagen. Der Fall sorgt für einiges Aufsehen und bereitet Alma Kopfschmerzen. Denn von der einzigen potenziellen Zeugin, seiner Verlobten Jessica, fehlt jede Spur. Die sitzt derweil in ihrem roten MINI-Cabriolet und weiß nur eins: Sie muss weg, weg, weg. Wie ihr Leben innerhalb weniger Tage derart dramatisch den Bach runtergehen konnte, weiß sie dagegen nicht. Warum sie in ihrer Panik Max' Laptop eingesteckt hat, könnte sie im Nachhinein auch nicht mehr so genau sagen. Zum Glück hat sie oft genug Tatort geschaut, um zu wissen, wie man eine Zeit lang untertaucht. Vielleicht kommt sie ja doch noch lebend aus der Nummer raus. Unbestechlich gut: Petra Hartlieb blickt tief in die politische Seele Österreichs


Eva Rossmann: Alles Gute. Ein Mira-Valensky-Krimi
Folio Verlag, 2024

Ob wirklich „alles gut“ wird? Eva Rossmann schafft es auch in ihrem 23. Mira-Valensky-Krimi am Puls der Zeit zu sein und greift Themen auf, die aktueller nicht sein könnten. Es geht um den Hass, der die Gesellschaft spaltet, um persönliche Daten im Netz, das „Wehret den Anfängen“, das politische Geschehen und eben den Wunsch, dass wieder „alles gut“ wird. Und wie immer um gutes Essen, spannende Gespräche, interessante Persönlichkeiten und ihre Freundschaft zu Vesna Krajner. Neu ist, dass sich Mira und Vesna in neue Abenteuer stürzen – fernab von Ermittlungen, dafür inmitten der Musikszene.
Eva Rossmann entwickelt ihre Figuren authentisch weiter und die Themen der Romane sind der Zeit immer voraus und so schafft sie es, dass auch eine lang andauernde Serie topaktuell und beliebt bleibt.

Eine App gegen die Spaltung der Gesellschaft. Zu gut, um wahr zu sein? Seit Jahren warnt Peter Gruber vor politischen Tendenzen, die jenen der 1930er ähneln. Nachdem er als Lehrer suspendiert worden ist, bringt ihn seine Nichte Lisa auf eine gute Idee: Er entwickelt eine App, die zum besseren Miteinander beitragen soll. Schnell hat »LISA wünscht ALLES GUTE« Millionen User. Doch dann verschwindet Gruber spurlos. Hat er Neider, hat er den Hass derer auf sich gezogen, die Wut und Ressentiments schüren? Zu viele fühlen sich abgehängt, setzen ihre Hoffnung auf die Union der Sozialpatrioten, die selbsternannten Retter des Abendlands. Oder sind Tech-Riesen hinter ihm her, die aus dem Handel mit persönlichen Daten ein Milliardenbusiness machen? Mira Valensky und Vesna Krajner folgen Grubers Spur.


Ingrid Noll: Tea Time
Diogenes Verlag, 2022

Gewohnt spitzzüngig, mit einer Prise Sarkasmus und subtilen Zwischentönen, komisch und im Mittelpunkt stehen skrupellose, verschrobene Frauen, die sich im „Club der Spinnerinnen“ zusammengefunden haben. Was harmlos beginnt, spitzt sich im Laufe der Geschichte zu und so ist kaum verwunderlich, dass auch der ein oder andere Todesfall auf ihr Konto gehen. Kein klassischer Krimi, einfach ein typischer Ingrid Noll Roman!

Die Freundinnen Nina und Franziska wohnen im selben Haus am Weinheimer Marktplatz. Aus einer Sektlaune heraus gründen sie mit vier anderen Frauen den Klub der Spinnerinnen - jede von ihnen hat eine spezielle Macke. Als Nina ihre Handtasche verliert, beginnt die verhängnisvolle Bekanntschaft mit Andreas Haase. Er begnügt sich nicht mit dem üblichen Finderlohn, er möchte mehr. Die Solidarität ihrer Busenfreundin ist gefragt.

Verena Rossbacher: Mon Chéri und unsere demolierten Seelen
Kiepenheuer & Witsch Verlag, 2022

Es dauert ein bisschen bis man in die Geschichte reinfindet, aber dann lässt sie einen nicht mehr los. Verena Rossbachers schräge Heldin schlittert durchs Leben, scheint ein Durchschnittstyp zu sein und wickelt am Ende doch alle um den Finger. Charly Benz ist sympathisch, empathisch und witzig, Einzelgängerin und Familienmensch zugleich, stellt sich ihren Problemen um im nächsten Moment vor ihnen davonzulaufen. Eine Geschichte, die von Familie, menschlichen Beziehungen, dem Scheitern und Tragödien handelt. Und davon, dass Geburt und Sterben ganz nah beieinander liegen.

„Mit zwölf Jahren wurde mir schlagartig klar, dass ich nie durch Anmut überzeugen würde.“ Charly Benz. Wie gestaltet man sein Leben, wenn man zwei linke Hände, eine demolierte Seele und jede Menge Probleme hat? Eine hinreißende Tiefstaplerin, der man nicht so ganz trauen kann, führt uns durch den neuen Roman von Verena Roßbacher. Mit unverbrüchlichem Optimismus und irre gut gelaunt strauchelt Charly Benz seit 43 Jahren durch ihr Leben. Sie arbeitet im Marketing einer Berliner Foodcompany, ernährt sich von angebrannten Croissants und bespricht ihre Beziehungsprobleme - die darin bestehen, dass sie keine Beziehung hat - mit ihrem einzigen Freund: Herr Schabowski, ein sechzigjähriger Mann, der ihre Post und Ängste sortiert. Doch als dieser eine tödliche Diagnose erhält, ihr erster Versuch einer Systemischen Familienaufstellung in einem Debakel endet und plötzlich gleich drei Männer ihr Leben gehörig durcheinanderbringen, verlässt Charly allumfassend der Mut. Den sollte sie schleunigst wiederfinden, sie ist nämlich schwanger. Sie und Schabowski beschließen, ihre Probleme proaktiv anzugehen: Sie flüchten. Und zwar nach Bad Gastein, ein ehemals mondäner Kurort im Südwesten Österreichs. In einem leerstehenden Hotel der Jahrhundertwende, das einst Charlys Vater gehörte, stellen sie fest: Man kann sich die Menschen, mit denen man verwandt ist, nicht aussuchen - seine Familie aber schon.


Delia Owens: Der Gesang der Flusskrebse
Hanser Verlag, 2021

Ein literarisches Debüt – inzwischen verfilmt – das einen eintauchen lässt in die Tiefen der Natur. Selten hat mich eine Geschichte zu so viel Phantasie angeregt mir die Protagonisten und vor allem die Schauplätze auszumalen. Delia Owens erzählt von der Liebe, der Familie und strickt um all das herum eine Kriminalgeschichte, die dem Buch Spannung verleiht.

Die berührende Geschichte von Kya, dem Marschmädchen, von der Zerbrechlichkeit der Kindheit und der Schönheit der Natur.
Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben - mit dramatischen Folgen. Delia Owens erzählt intensiv und atmosphärisch davon, dass wir für immer die Kinder bleiben, die wir einmal waren. Und den Geheimnissen und der Gewalt der Natur nichts entgegensetzen können.


Nora Bossong: Reichskanzlerplatz
Suhrkamp Verlag, 2024

Völlig zurecht für den Deutschen Buchpreis nominiert! Was als scheinbar unaufgeregte Geschichte beginnt, entwickelt sich zu seinem dramatischen Ende. Die Biografie einer jungen Frau, die anfangs von sich sagt kein politischer Mensch zu sein und schließlich – als Magda Goebbels – in die Fänge des Nationalsozialismus gerät und zum Inbegriff der „deutschen Mutter“ wird. Nora Bossong zeigt anhand einzelner Personen die Banalität des Bösen und plötzlich versteht man, wie das alles passieren konnte – erkennt aber auch, wie viel Einzelne beeinflussen könnten.
Ein authentisches, stimmiges und glaubhaftes Buch über Schuld und Unschuld, über Liebe und Verrat, über das Grauen und die Mittäterschaft, eingebettet in die historischen Ereignisse rund um das Dritte Reich.

Als Hans die junge und schöne Stiefmutter seines Schulfreunds Hellmut Quandt kennenlernt, ahnt er noch nicht, welche Rolle Magda in seinem Leben spielen wird, für ihn persönlich, aber auch Jahre später als fanatische Nationalsozialistin und Vorzeigemutter des »Dritten Reichs«. Noch ist die Weimarer Republik im Aufbruch und Hans so heftig wie hoffnungslos in Hellmut verliebt. Doch nach einem Unglücksfall beginnen Hans und Magda eine Affäre, von der sie sich Trost und Vorteile versprechen: Sie will aus ihrer Ehe ausbrechen, er seine Homosexualität verbergen. Erst als Magda Joseph Goebbels kennenlernt und der NSDAP beitritt, kommt es zwischen Hans und ihr zum Bruch. Während Magda mit ihren Kindern bald in der Wochenschau auftritt, gerät Hans zunehmend in Gefahr. Ein Roman, der über zwanzig Jahre den Weg zweier Menschen und eines Landes erzählt, der nicht unausweichlich war.


Susanne Abel: Was ich nie gesagt habe. Gretchens Schicksalsfamilie
DTV Verlag, 2023

Ich liebe Bücher, die eine Fortsetzung haben. Im zweiten Teil der berührenden Geschichte rund um Greta, Bob, Konrad, Marie und Tom schließen sich jene Lücken, die im ersten Teil offen bleiben. Alles wird noch dichter – zeitweise fast ein bisschen zu dick aufgetragen. Bedrückend wie viel Schicksalsschläge eine Familie ertragen muss, wie das gemeinsame Schicksal aber eben auch zusammenschweißt und vielleicht kann man auch nur darum Verständnis aufbringen und weiterleben. Während das Schweigen die Nachkriegszeit dominiert, scheint die Gegenwart genau dieses zu sprengen. Susanne Abel schafft es fundiert recherchiert zu erzählen, gibt jeder Person eine eigene Stimme, formuliert mit klaren Worten und lässt auf subtile Weise auch dem Humor seinen Platz.

Tom Monderath ist frisch verliebt: Mit Jenny erlebt er die glücklichste Zeit seines Lebens. Bis er durch Zufall auf seinen Halbbruder Henk stößt, der alles über ihren gemeinsamen Vater wissen will. Doch Konrad starb vor vielen Jahren und seine demente Mutter Greta kann Tom nicht befragen. Als sich weitere Halbgeschwister melden, wird es Tom zu viel. Jenny und Henk hingegen folgen den Spuren Konrads. Selbst fast noch ein Kind, kämpfte Toms Vater im Krieg, geriet in amerikanische Gefangenschaft, bevor er in den späten 40er-Jahren nach Heidelberg kommt. Dort verliebt er sich Hals über Kopf in die junge Greta, nicht ahnend, dass ein Geheimnis aus der dunkelsten Zeit des Nationalsozialismus ihre gemeinsame Familie ein Leben lang begleiten wird ...


Susanne Abel: Stay away from Gretchen
DTV Verlag, 2023

Packend, fesselnd, bedrückend und schockierend. Ein Generationenroman, der den Bogen vom Nachkriegsdeutschland bis heute spannt. Hoch emotional zeigt Susanne Abel auf, wie tief der Rassismus verankert war (und ist) und wie lange und beschwerlich der Weg ist, sich aus diesen Fängen zu befreien. Eine Geschichte über eine große Liebe, unheilbare Wunden, traumatische Erlebnisse und die Suche nach der Wahrheit.

Der bekannte Kölner Nachrichtenmoderator Tom Monderath macht sich Sorgen um seine 84-jährige Mutter Greta, die immer mehr vergisst. Als die Diagnose Demenz im Raum steht, ist Tom entsetzt. Bis die Krankheit seiner Mutter zu einem Geschenk wird: Erstmals erzählt Greta aus ihrem Leben - von ihrer Kindheit in Ostpreußen, den geliebten Großeltern, der Flucht vor den russischen Soldaten im eisigen Winter und ihrer Zeit im besetzten Heidelberg. Als Tom jedoch auf das Foto eines kleinen Mädchens mit dunkler Haut stößt, verstummt Greta. Zum ersten Mal beginnt Tom, sich eingehender mit der Vergangenheit seiner Mutter zu befassen. Nicht nur, um endlich ihre Traurigkeit zu verstehen. Es geht auch um sein eigenes Glück.


Mareike Fallwickl: Und alle so still
Rowohlt Verlag, 2024

Nach „Die Wut, die bleibt“ lag die Latte hoch für einen neuen Roman! Dem Thema ist Mareike Fallwickl treu geblieben: „Und alle so still“ ist ein Manifest, ein Aufruf zur Solidarisierung mit Frauen, die Care-Arbeit verrichten, schlecht bezahlte Jobs haben und um Anerkennung buhlen (müssen). Der Plot ist sehr überspitzt, oft sehr plakativ, plump und anklagend. Aber Mareike Fallwickl kann schreiben und schafft es so, dass man auf jeden Fall wissen möchte, wie die Geschichte ausgeht!

An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen auf der Straße. Reglos, in stillem Protest. Hier kreuzen sich die Wege von Elin, Nuri und Ruth. Elin, Anfang zwanzig, eine erfolgreiche Influencerin, der etwas zugestoßen ist, von dem sie nicht weiß, ob es Gewalt war. Nuri, neunzehn Jahre, der die Schule abgebrochen hat und versucht, sich als Fahrradkurier, Bettenschubser und Barkeeper über Wasser zu halten. Ruth, Mitte fünfzig, die als Pflegefachkraft im Krankenhaus arbeitet und deren Pflichtgefühl unerschöpflich scheint.
Es ist der Beginn einer Revolte, bei der Frauen nicht mehr das tun, was sie immer getan haben. Plötzlich steht alles infrage, worauf unser System fußt. Ergreifen Elin, Nuri und Ruth die Chance auf Veränderung?


Thommie Bayer: Einer fehlt
Piper Verlag, 2024

Eine Männergeschichte, von der sich Frauen einiges abschauen könnten 😉 Eine Jugendfreundschaft zwischen 3 (!) Männern, die bis heute andauert. Und das, obwohl eine Frau – Carolin – mit allen drei Männern eine Liebesbeziehung hatte, heute noch mit Schubert verheiratet ist und zumindest von noch einem die heimliche große Liebe zu sein scheint. Ein Buch über ehrliche Freundschaft, Vertrauen, Zusammenhalt und die Liebe. Und darüber, dass man wahre Freundschaft erst erkennt, wenn man wirklich darauf vertrauen muss. Paul und Schubert sind jedenfalls sofort zur Stelle, als Georg sie braucht, ohne dass er dies einfordern muss.
Kurzweilig, witzig und dennoch mit Tiefgang!

Die Geschichte einer großen Freundschaft und ihrer schwersten Prüfung: In den wilden 70ern haben sich Georg, Paul und Schubert auf einer Italienreise kennengelernt und sind seither die engsten Freunde. Verbunden und zeitweise getrennt wurden und werden sie durch Carolin, in die alle drei verliebt und mit der sie nacheinander zusammen waren, Schubert bis heute. Als Georgs Frau stirbt und er aus Wien verschwindet, machen Schubert und Paul sich auf die Suche nach ihm - und nach ihrer Vergangenheit. Eine sentimentale Reise in die Gefilde der Freundschaft und der Liebe, die bis nach Ligurien führt.


Martina Parker: Eintunkt
Gmeiner Verlag, 2024

400 Seiten Südburgenland! Kaum zu glauben, was dort alles passiert – vor allem wenn man das Südburgenland – und speziell Bildein – so gut kennt 😉 Kurzweilig, spannend, verzwickt, grenzüberschreitend und vor allem witzig. Wir treffen die sympathischen Protagonisten, alte Bekannte, die wieder auftauchen, aber auch ganz neue Gesichter. Martina Parker ist wieder ein fantastischer Regional-Garten-Krimi geglückt, der sofort Lust auf mehr macht!

Sommer, Sonne, Festival-Zeit. Eigentlich wollten Lokaljournalistin Vera Horvath und ihre Freundinnen vom Klub der Grünen Daumen den August geruhsam angehen. Doch dann kommt alles anders als gedacht. Statt Love & Peace gibt es am legendären Musik-Festival »picture on« Mord und Totschlag. Ein seltsamer Stalker geht um, Vera wird in einen hochpeinlichen Sexunfall verwickelt und Rocksängerin Alex Woods verschwindet nach einer exzessiven After Show Party. Die Gartenladies nehmen sich der Sache an und graben bei ihren Ermittlungen statt Stauden eine Leiche aus …


Caroline Wahl: Windstärke 17
Dumont Verlag, 2024

Windstärke 17 auf der Skala gibt es nur noch in Taiwan und China und im neuen Buch von Caroline Wahl. Eine Page-Turner wie ihr erster Roman „22 Bahnen“, ein Wiedersehen mit Tilda, Viktor und Ida – ihre Geschichte wird erzählt. Sofort schwimmt man wieder mitten in der Geschichte: „Tilda schwimmt ihre 22 Bahnen und ich ein paar mehr, weil ich schneller bin.“ Caroline Wahl schreibt sich mitten ins Herz, man kann den Klumpen in Idas Bauch geradezu fühlen und man darf miterleben, wie er sich langsam auflöst. Wieder eine Geschichte voller Liebe, Herzenswärme, Empathie, Neugierde, Kraft, Emotionen, Durchhaltevermögen und voller guter Gespräche.

Ida hat nichts bei sich außer dem alten, verschrammten Hartschalenkoffer ihrer Mutter, ein paar Lieblingsklamotten und ihrem MacBook, als sie ihr Zuhause verlässt. Es ist wahrscheinlich ein Abschied für immer von der Kleinstadt, in der sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hat. Im Abschiednehmen ist Ida richtig schlecht; sie hat es vor zwei Monaten nicht einmal auf die Beerdigung ihrer Mutter geschafft. Am Bahnhof sucht sie sich den Zug aus, der am weitesten wegfährt - auf keinen Fall will sie zu ihrer Schwester Tilda nach Hamburg -, und landet auf Rügen. Ohne Plan, nur mit einem großen Klumpen aus Wut, Trauer und Schuld im Bauch, streift sie über die Ostseeinsel. Und trifft schließlich auf Knut, den örtlichen Kneipenbesitzer, und seine Frau Marianne, die Ida kurzerhand bei sich aufnehmen. Zu dritt frühstücken sie jeden Morgen Aufbackbrötchen, den Tag verbringt Ida dann mit Marianne, sie walken gemeinsam durch den Wald oder spielen Skip-Bo, abends arbeitet Ida mit Knut in der »Robbe«. Und sie lernt Leif kennen, der ähnlich versehrt ist wie sie. Auf einmal ist alles ein bisschen leichter, erträglicher in Idas Leben. Bis ihre Welt kurz darauf wieder aus den Angeln gehoben wird.
Nach ihrem gefeierten Debüt „22 Bahnen“ erzählt Caroline Wahl in ihrem unverwechselbaren Sound nun, wie Ida es mit dem Leben aufnimmt. Ein aufwühlender, intensiver und dabei ungemein tröstlicher Roman über Töchter, Schwestern und Mütter, über vermeintliche Schuld und das Verzeihen - sich selbst und den anderen.

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Elizabeth Strout: Am Meer
Luchterhand Verlag, 2024

„Welche Gnade, dass wir nicht wissen, was uns im Leben erwartet.“ Elizabeth Strout erzählt eine feine Geschichte, die dahinrennt, ohne große Sprünge zu machen, aber spannend genug ist, um gerne dabei zu bleiben. Alles ist unaufgeregt, erzählt wird eine Geschichte über sich selbst, über die Liebe, über die Familenbanden und über die Endlichkeit. Ein Buch über das Glück, das meist ganz nah liegt, wenn es man es sehen möchte. Das nächste Buch von Elizabeth Strout lese ich im Original, die Übersetzung holpert sehr und macht das sprachliche Erlebnis etwas unrund.

Elizabeth Strout schreibt die Geschichte von Lucy Barton weiter, ihrer feinsinnigen, von den Härten des Lebens nicht immer verschonten Heldin. Mit ihrem Ex-Mann William sucht sie während des Lockdowns Zuflucht in Maine, in einem alten Haus am Meer. Eine unvergessliche Geschichte über Familie und Freundschaft, die Zerbrechlichkeit unserer Existenz und die Hoffnung, die uns am Leben erhält, selbst wenn die Welt aus den Fugen gerät.

Sie hatte es so wenig kommen sehen wie die meisten. Lucy Barton, erfolgreiche Schriftstellerin und Mutter zweier erwachsener Töchter, erhält im März 2020 einen Anruf von ihrem Ex-Mann - und immer noch besten Freund - William. Er bittet sie, ihren Koffer zu packen und mit ihm New York zu verlassen. In Maine hat er für sie beide ein Küstenhaus gemietet, auf einer abgelegenen Landzunge, weit weg von allem. Nur für ein paar Wochen wollen sie anfangs dort sein. Doch aus Wochen werden Monate, in denen Lucy und William und ihre komplizierte Vergangenheit zusammen sind in dem einsamen Haus am Meer.


Elke Heidenreich: Altern
Hanser Verlag, 2024

„Alle wollen alt werden, niemand will es sein. Ist das nicht absurd?“ Elke Heidenreichs Buch zieren unzählige Zitate, jedes weise und fast jedes wäre eine eigene Rezensionszeile wert. „Es geht um das Loslassen, das Annehmen, das Einverstandensein, um das nicht dauernd den andern, sich und das Leben Ändernwollen.“
Einerseits faszinierend, dass Elke Heidenreich nur 111 Seiten braucht, um „Altern“ zu schreiben, andererseits authentisch, denn die Beschränkung auf das Wesentliche, das Aussortieren, das Sich-Trennen-Können und das Unprätentiöse scheint der Schlüssel für ein Älterwerden im Einklang mit sich selbst zu sein. Ein unkonventionelles Buch, denn „Alte Menschen sind ja nicht alle gleich, wahrscheinlich sind sie das sogar noch weniger als irgendeine andere Altersgruppe, denn ihr langes Leben hat sie zu Individualisten gemacht. Eines unserer augenblicklichsten Probleme ist, dass die Gesellschaft sich weigert, das zu verstehen und alle alten Leute „gleich“ behandelt.“ Sehr treffend, könnte man aber ausweiten, denn auch Kinder werden in Konventionen gedrückt, „müssen“ mit 6 Monaten sitzen können, sollten mit 3 Jahren sprechen und im September schulreif sein, egal ob im Oktober oder im August geboren. Man könnte aus diesem Buch den Wunsch an die Gesellschaft herauslesen, individuell sein zu dürfen. Und zwar nicht im Sinne von „außergewöhnlich“ und abseits des für uns Normalen, sondern in persönlichen Kleinigkeiten, die von der Gesellschaft ständig kommentiert und bewertet werden. Elke Heidenreich jedenfalls stellt klar, dass sie sich nicht mehr verbiegt und dass „man verantwortlich ist für das, was man tut – in jedem Alter.“
Es wäre höchst an der Zeit das Pendant zu diesem tollen Buch zu schreiben: Jüngern....

Das Leben lesen: Elke Heidenreich schreibt ganz persönlich über ein Thema, das uns alle betrifft. Ein ehrliches Buch über das Altern, das Mut macht.
Alle wollen alt werden, niemand will alt sein. Der Widerspruch ist absurd, das Leiden daran real. Wie lernen wir, so gut wie möglich damit zurechtzukommen? Geht das, alt werden und ein erfülltes Leben führen? Elke Heidenreich hat sich mit dem Altwerden beschäftigt. Herausgekommen ist dabei ein Buch, wie nur sie es schreiben kann. Persönlich, ehrlich, doch nie gnadenlos, mit einem Wort: lebensklug. Sie denkt über ihr eigenes Leben nach, und das heißt vor allem, über ihre Beziehungen zu anderen Menschen. Im Alter trägt man die Konsequenzen für alles, was man getan hat. Aber mit ihm kommt auch Gelassenheit, und man begreift: „Das meiste ist vollkommen unwichtig. Man sollte einfach atmen und dankbar sein.“


Petra Pellini: Der Bademeister ohne Himmel
Rowohlt Verlag, 2024

«Es gibt zwei Menschen, die mich von der Sache mit dem Auto abhalten. Kevin und Hubert. Kevin wohnt um die Ecke, ist voll intelligent, und Hubert wohnt im dritten Stock und ist voll dement.»

Mit einem Auszug aus dem Roman hat Petra Pellini den Vorarlberger Literaturpreis gewonnen. Jetzt gibt es endlich die ganze Geschichte! Und sie ist fantastisch! Sie ist stimmig, wertschätzend, skurril, witzig, traurig und toll geschrieben.
Ein Buch darüber, wie „schön“ das Sterben sein kann, aber auch wie „schön“ das Leben ist, darüber, wie eng Geburt und Tod, Leben und Sterben, Glück und Unglück, Mama und Tochter verbunden sind und vor allem darüber, wie sich Lebensschicksale miteinander verweben. Linda entdeckt die Liebe zum Leben, Ewa darf einfach Ewa sein und Hubert muss man einfach lieben!

Linda ist fünfzehn und würde am liebsten vor ein Auto laufen. Doch noch halten zwei Menschen sie davon ab: ihr einziger Freund Kevin, der daran verzweifelt, dass die Welt am Abgrund steht. Und Hubert, sechsundachtzig Jahre alt, ein Bademeister im Ruhestand, der seine Wohnung kaum mehr verlässt, Karotten toastet und auf seine Frau wartet, die vor sieben Jahren verstorben ist. Dreimal wöchentlich verbringt Linda den Nachmittag mit Hubert, um die polnische Pflegerin Ewa zu entlasten, die mit durchaus eigenwilligen Mitteln ihren Beruf ausübt. Der Alltag gelingt mal mehr, meist weniger. Mit Feingefühl und Humor begegnet Linda Huberts fortschreitender Demenz und versucht, die Erinnerungen des alten Bademeisters wachzuhalten - an die Sommer im Strandbad oder die Liebe zu seiner Frau Rosalie. Bis das Schicksal Lindas Pläne durchkreuzt ...


Sarah Biasini: Die Schönheit des Himmels
Zsolnay Verlag, 2021

Die Geburt der eigenen Kinder verändert nicht nur das ganze Leben, sondern auch die Beziehung zur eigenen Mutter. Man denkt über die eigene Kindheit nach, hat plötzlich Ängste, die vorher nicht da waren und Gedanken, die bis dahin nicht präsent waren. Man lebt, fühlt und agiert beherzter und intensiver und spürt Emotionen in einer neuen Dimension.
Und wenn man dann – so wie Sarah Biasini – die eigene Mutter viel zu früh verloren hat, lebt man diese Phase offensichtlich noch emotionaler. Romy Schneiders Tochter erzählt voller Liebe und gibt poetische und intime Einblicke in ihr Leben abseits der Öffentlichkeit.

Eine Frau schreibt an ihre neugeborene Tochter. Sie erzählt ihr von ihren Freuden, ihren Leiden, ihren Ängsten und von einer Abwesenden, ihrer eigenen Mutter: der großen und unvergessenen Romy Schneider. Sarah Biasini spürt in ihrem berührenden Buch der Beziehung zu ihrer Mutter nach. Ein poetischer Text, der Fragen aufwirft: Wie wächst man auf, wenn man die Mutter mit vier Jahren verliert? Wie lebt man weiter, wenn einem der Tod so früh so nahekommt? Wie trauert man um eine Mutter, die von der ganzen Welt abgöttisch verehrt wird? Die Antwort findet die Autorin bei sich, bei der Liebe ihrer Familie, ihrer Freunde, bei den Frauen, die ihr die Mutter ersetzt haben. Ein Buch über das Leben, das weitergeht, trotz allem.


Juli Zeh: Nullzeit
btb Verlag, 2014

Hineingezogen wie in den Sog des Atlantiks wird man von Juli Zehs Roman „Nullzeit“. Was als unaufgeregte Geschichte beginnt, entwickelt sich fast zu einem Drama, wobei das etwas banale Ende den Lesegenuss ein bisschen schmälert. Erzählt wird aus Sicht des Tauchlehrers Sven, was das Buch jedoch wirklich interessant macht, sind die Auszüge aus Jolas Tagebuch. Denn damit offenbart sich eine Parallelwirklichkeit, die entweder Jola oder Sven sich aufbauen.

Eigentlich ist die Schauspielerin Jola mit ihrem Lebensgefährten Theo auf die Insel gekommen, um sich auf die nächste Rolle vorzubereiten. Als sie Sven kennenlernt, entwickelt sich aus einem harmlosen Flirt eine fatale Dreiecksbeziehung, die alle bisherigen Regeln außer Kraft setzt. Wahrheit und Lüge, Täter und Opfer tauschen die Plätze. Sven hat Deutschland verlassen und sich auf der Insel eine Existenz als Tauchlehrer aufgebaut. Keine Einmischung in fremde Probleme - das ist sein Lebensmotto. Jetzt muss Sven erleben, wie er vom Zeugen zum Mitschuldigen wird. Bis er endlich begreift, dass er nur Teil eines mörderischen Spiels ist, in dem er von Anfang an keine Chance hatte.

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Juli Zeh: Leere Herzen
Luchterhand Verlag, 2019

So kurz vor einem Super-Wahljahr hat mich die Geschichte besonders gefesselt. Es geht um Demokratie und um Politik, aber eigentlich geht es um die Gesellschaft, um Sozialstudien und darum, wozu der Mensch fähig ist und wie sehr wir alle verbunden sind. Spannend bis zur letzten Zeile, packend geschrieben. Absolute Leseempfehlung!

Sie sind desillusioniert und pragmatisch, und wohl gerade deshalb haben sie sich erfolgreich in der Gesellschaft eingerichtet: Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi. Sie haben sich damit abgefunden, wie die Welt beschaffen ist, und wollen nicht länger verantwortlich sein für das, was schief läuft. Stattdessen haben sie gemeinsam eine kleine Firma aufgezogen, "Die Brücke", die sie beide reich gemacht hat. Was genau hinter der "Brücke" steckt, weiß glücklicherweise niemand so genau. Denn hinter der Fassade ihrer unscheinbaren Büroräume betreiben Britta und Babak ein lukratives Geschäft mit dem Tod.

Als die "Brücke " unliebsame Konkurrenz zu bekommen droht, setzt Britta alles daran, die unbekannten Trittbrettfahrer auszuschalten. Doch sie hat ihre Gegner unterschätzt. Bald sind nicht nur Brittas und Babaks Firma, sondern auch beider Leben in Gefahr...
"Leere Herzen" ist ein provokanter, packender und brandaktueller Politthriller aus einem Deutschland der nahen Zukunft. Es ist ein Lehrstück über die Grundlagen und die Gefährdungen der Demokratie. Und es ist zugleich ein verstörender_ Psychothriller über eine Generation, die im Herzen leer und ohne Glauben und Überzeugungen ist.


Anna Lönnqvist: Wiedersehen in Stockholm
Insel Verlag, 2024

Ein Buch – ideal für Strand, Urlaub und Wochenende. Eine liebevolle Geschichte mit herzlichen Charakteren. Der Plot an sich ist einfach, hat aber durchaus an einigen Stellen auch Tiefgang, das Ambiente ist charmant und die Handlung kurzweilig.
Knackpunkt: Die Übersetzung holpert und macht dem Lesefluss manchmal einen Strich durch die Rechnung. Schade, dass ich kein Schwedisch spreche und so das Original nicht lesen kann!

Eine ergreifende Geschichte mit unvergesslichen Charakteren: An einem bezaubernden Abend in Stockholms Tivoli Gröna Lund lernen sich Ella und Ben kennen und verlieben sich auf den ersten Blick. Am nächsten Morgen steigt Ben zurück in den Zug nach Hause in Nordschweden, aber beide sind sich sicher: Sie sehen sich wieder. Doch die Dinge entwickeln sich anders und plötzlich sind zwölf Jahre vergangen. Ella ist in einer glücklichen Beziehung mit ihrem Jugendfreund Leon und arbeitet als freie Autorin. Sie hat gerade den Auftrag bekommen, die Biografie der legendären Unternehmerin Fredrika Bergh zu schreiben. Da stellt Fredrika ihr einen neuen Kollegen vor: Ben. Sie beschließt, ihn zu ignorieren. Ein lang vergangener Abend wird ihr jetziges Leben nicht verändern. Oder doch? Denn je mehr sie über Fredrikas bewegtes Leben schreibt, desto mehr hinterfragt sie ihr eigenes ...


Martin Suter: Allmen und Herr Weynfeldt
Diogenes Verlag, 2024

Adrian Weynfeldt werden wir bestimmt in einem der nächsten Allmen-Romane wieder treffen. Die beiden Herren scheinen perfekt zueinander zu passen. Inhaltlich dreht sich alles um einen Kunstraub, bei dem es sich evtl. mehr um einen ideellen Wert als um ein Vermögen handelt. Als auch noch ein tödlicher Treppensturz passiert, kommt Allmen nicht umhin die Polizei einzuschalten. Eine verzwickte Geschichte, die bis zum Ende spannend bleibt und Protagonisten, die so höflich und vornehm sind, dass Suters sprachliches Feuerwerk perfekt zu ihnen passt.

In einer Bar begegnet Allmen einem kultivierten Herrn seines Alters - Adrian Weynfeldt. Der Name ist dem Kunstdetektiv selbstverständlich ein Begriff. Es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft. Als Weynfeldt kurz darauf bemerkt, dass ein Bild in seiner Sammlung fehlt, schaltet er Allmen ein. Weynfeldts bunter Freundeskreis gibt sich zugeknöpft. Nur die Kunstbuchhändlerin will reden. Doch bald schon kann sie das nicht mehr. Allmen steht vor seinem ersten Mordfall.


Ayelet Gundar-Goshen: Wo der Wolf lauert
Kein & Aber Verlag, 2021

350 Seiten und am Ende findet die Geschichte keine Auflösung. Das beeinträchtigt das Leseerlebnis jedoch in keinster Weise, denn Aylet Gundar-Goshen zeichnet eine Geschichte mit vielschichtigen Figuren. Es geht um familiäre Strukturen und Beziehungen, um Vertrauen, Liebe und Glück, um Mobbing, Antisemitismus, Rassismus und um Opfer und Täter. Ein Familiendrama, ein Wirtschaftsspionage-Krimi, ein Gesellschaftsroman – feinfühlig und dennoch distanziert erzählt, spannend bis zum letzten Satz!

Lilach Schuster hat alles: ein Haus mit Pool im Herzen des Silicon Valley, einen erfolgreichen Ehemann und das Gefühl, angekommen zu sein in einem Land, in dem man sich nicht in ständiger Gefahr wähnen muss wie in ihrer Heimat Israel. Doch dann stirbt auf einer Party ein Mitschüler ihres Sohnes Adam. Je mehr Lilach über die Umstände des Todes erfährt, desto größer wird ihr Unbehagen: Ist es möglich, dass Adam irgendwie damit in Verbindung steht?
Ein psychologisch raffinierter Roman über die langen Schatten unserer Herkunft und darüber, dass uns oft die Menschen das größte Rätsel bleiben, die wir am besten zu kennen glauben: unsere Kinder.

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Bernhard Schlink: Das späte Leben
Diogenes Verlag, 2023

Noch zwölf gute Wochen bis zum Tod: Martin Brehm nutzt die Zeit, die Zeit mit seiner Frau und seinem 6-jährigen Sohn, ordnet und sortiert, schreibt Briefe und deckt manches auf, was bis dahin unentdeckt geblieben war. Er ist versöhnlich und ausgleichend, denkt nach über das Leben, die Liebe und den Tod. Und darüber, was er hinterlassen möchte und woran sich sein Sohn erinnern soll. Ein sprachlich anspruchsvolles Buch, die Worte bewusst gewählt, die Geschichte traurig, aber nicht rührend, schnörkellos und anspruchsvoll. Ein echter Schlink!

Martin, sechsundsiebzig, wird von einer ärztlichen Diagnose erschreckt: Ihm bleiben nur noch wenige Monate. Sein Leben und seine Liebe gehören seiner jungen Frau und seinem sechsjährigen Sohn. Was kann er noch für sie tun? Was kann er ihnen geben, was ihnen hinterlassen? Martin möchte alles richtig machen. Doch auch für das späte Leben gilt: Es steckt voller Überraschungen und Herausforderungen, denen er sich stellen muss.


Julia Jost: Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht
Suhrkamp Verlag, 2024

Julia Josts Roman spielt in der Kärntner Bergwelt und erinnert an frühere Biografien. Ein Mädchen, das lieber ein Bub wäre und sich der vorgegebenen Ordnung etwas widersetzt. Eine Liebe, Freundschaften, ein politisch tiefbrauner Sumpf und tiefe Abgründe in der Nachbarschaft.
Es geht rabiat zu am Land, das raue Miteinander im dörflichem Umfeld schildert Julia Jost ungeschminkt, sprachlich brillant, zeitweise im Kärntner Dialekt, aber auch voller Ironie und Humor.

Es ist das Jahr 1994. In einem Kärntner Dorf am Fuß der Karawanken sitzt die Erzählerin unter einem Lkw und beobachtet die Welt und die Menschen knieabwärts. Sie ist elf Jahre alt und spielt Verstecken mit ihrer Freundin Luca aus Bosnien. Zum letzten Mal, denn die Familie zieht um. Der Hof ist zu klein geworden für den Ehrgeiz der Mutter, die ausschließlich eines im Kopf hat - bürgerlich werden! Nach und nach treffen immer mehr Nachbarsleute ein, um beim Umzug zu helfen, und das Kind in seinem Versteck beginnt zu erzählen: von seiner Angst, im Katzlteich ertränkt zu werden, weil es kurze Haare hat. Weil es Bubenjeans trägt. Weil es heimlich in Luca verliebt ist. Dabei ist sie nicht die Einzige, die etwas verbergen muss. Sie kennt Geschichten über die Ankommenden, die in tiefe Abgründe blicken lassen und doch auch Mitgefühl wecken.


Isabel Bogdan: Der Pfau
Insel Verlag, 2017

Man wünscht sich Teil dieser Geschichte zu sein, man möchte auch Gast sein in diesem speziellen Landsitz in Schottland, man möchte die Bänker, die dort ein Teambuilding Event absolvieren, kennenlernen. Und man möchte Mäuschen spielen. Isabel Bogdan erzählt mit Witz, feiner Ironie, leichter Geschwätzigkeit und trockenen Pointen. Die Geschichte wäre eigentlich in ein paar Sätzen erzählt und trotzdem ist kein Wort zu viel!

Ein charmant heruntergekommener Landsitz in den schottischen Highlands, ein völlig durchgedrehter Pfau, der bei blau nur noch rot sieht, und ein bunt zusammengewürfelter Haufen Leute, dazu ein überraschender Wintereinbruch, ein Kurzschluss und die ein oder andere Verwechslung - und schon ist das Chaos perfekt!

Pointenreich, very british und urkomisch erzählt Isabel Bogdan von einem Wochenende, an dem alles anders kommt als geplant: Eine Gruppe Investmentbanker reist samt ambitionierter Psychologin und erfindungsreicher Köchin aus London an, um in der ländlichen Abgeschiedenheit bei einer Teambildungsmaßnahme die Zusammenarbeit zu verbessern. Doch das spartanische Ambiente und ein verrückt gewordener Pfau bringen sie dabei gehörig aus dem Konzept. Und nicht nur sie: Denn die pragmatische Problemlösung des Hausherrn Lord McIntosh setzt ein Geschehen in Gang, das sämtliche Beteiligte an die Grenzen ihrer nervlichen Belastbarkeit bringt.


Alex Beer: Der letzte Tod. Ein Fall für August Emmerich
blanvalet Verlag, 2023

Der bislang spannendste Fall rund um Kriminalinspektor August Emmerich und das Ende der Geschichte macht Hoffnung, dass Alex Beer weiterschreibt! Zu viel ist noch offen, vor allem rund um die Privatperson August Emmerich und seine Vergangenheit. Außerdem wird ihm in „Der letzte Tod“ von Dr. Adler ein gutes Dienst-Zeugnis ausgestellt – obwohl er den ihm zur Seite gestellten Psychiater anfangs mit sehr viel Missmut und seiner bekannt schroffen Art ordentlich degradiert.
Eine verwobene Geschichte mit grausigen Leichenfunden und Ermittlungen in ganz Europa, die Hochspannung bis zum letzten Satz garantiert!

Wien im September 1922: Die Inflation nimmt immer weiter Fahrt auf, die Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche, und der Staatsbankrott steht kurz bevor. Unterdessen haben Kriminalinspektor August Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter es mit einem grausigen Fund zu tun: Auf dem Gelände des Wiener Hafens wurde in einem Tresor eine mumifizierte Leiche entdeckt. Und dabei bleibt es nicht, denn der Mörder tötet nach einem abscheulichen Muster, und er hat sein nächstes Opfer schon im Visier. Doch damit nicht genug: Ein alter Feind aus Emmerichs Vergangenheit taucht wieder auf - und er trachtet dem Ermittler nach dem Leben ...


Alex Beer: Das schwarze Band. Ein Fall für August Emmerich
blanvalet Verlag, 2021

Bei Alex Beer ist einfach immer Hochspannung garantiert. Auch wenn das Buch schon ein paar Jahre auf dem Markt ist 😉 Der eigenwillige Kriminalinspektor August Emmerich ermittelte schließlich auch in der Zwischenkriegszeit. Die Geschichte ist fesselnd – neben ermordeten Tänzerinnen steht auch die Republik am Rande des Abgrunds. Fesselnd erzählt – große Empfehlung ist auch das Hörbuch, das von Cornelius Obonya gelesen wird – schlüssige Geschichte, sympathische Protagonisten, historisch fundiert aufbereitet!

Wien im Juli 1921: Die Stadt ächzt unter einer Hitzewelle, Wasser wird rationiert, und der Asphalt schmilzt. Kriminalinspektor August Emmerich macht noch ein ganz anderes Problem zu schaffen: Weil er sich wieder einmal danebenbenommen hat, wird er von den Ermittlungen an zwei ermordeten Tänzerinnen abgezogen und in einer Kadettenschule interniert. Dort soll er, gemeinsam mit anderen schwarzen Schafen aus dem Polizeidienst, bessere Umgangsformen lernen. Doch als in der Schule ebenfalls ein Mord passiert, muss Emmerich für seine Nachforschungen erneut alle Regeln brechen. Denn er sieht sich mit einer blutigen Intrige konfrontiert, die ihn bis in die höchsten politischen Kreise führt ...


Dirk Stermann: Mir geht's gut, wenn nicht heute, dann morgen. 
Erika Freeman: Der Roman eines Jahrhundertlebens
Rowohlt Verlag, 2023

Am Tisch im Imperial in Wien scheint noch eine dritte Person zu sitzen, denn Dirk Stermann suggeriert mit seinen authentischen, unprätentiösen Gesprächsaufzeichnungen mit der 95-jährigen Erika Freeman uns als Leser:innen quasi mittendrin zu sein. Die Kipferl kann man förmlich riechen und die Verbundenheit der Beiden ehrlich spüren. Ein langer Dialog, der von seiner Herzlichkeit, dem ungestörten Fluss und der Weisheit lebt. Dirk Stermann gelingt es all die Tragik in Erika Freemans Leben mit Humor zu verknüpfen, ohne den Ernst, die Tiefgründigkeit und vor allem die Empathie zu verlieren.

Fast ihr ganzes Leben hat Erika Freeman in New York verbracht, dann sitzt sie eines Abends in der Talkshow von Dirk Stermann, «Willkommen, Österreich», und verzaubert ihren Gastgeber und die Nation. Im hohen Alter lebt sie wieder in ihrer Heimatstadt Wien, jeden Mittwoch kommt Dirk sie nun besuchen, um sich mit ihr bei Kipferln und Melange über Gott und die Welt zu plaudern, und aus diesem erzählten Jahrhundertleben einen so amüsanten wie bewegenden Roman zu machen.

Geboren 1927, ist Erika mit 12 Jahren vor den Nazis nach New York geflohen. Sie wächst in einem Waisenhaus auf, hat Anteil an der Gründung Israels und wird nach dem Studium Psychoanalytikerin; ganz auf sich gestellt, ihre Mutter hat den Krieg nicht überlebt. Ihr Vater, vermeintlich im KZ gestorben, glaubt seinerseits, als Einziger der Familie überlebt zu haben, bis er mitten auf dem Broadway seinen Bruder trifft. Als Therapeutin ist Erika bald eine Berühmtheit, die Riege ihrer berühmten Patienten reicht von Washington bis Hollywood. Nun, mit 95, ist sie wieder Österreicherin geworden, residiert im berühmten Hotel Imperial, wo einst Hitler nächtigte, und wenn man sie fragt, wie es ihr geht, sagt sie: «Gut. Wenn nicht heute, dann morgen.»


Matt Haig: Der fürsorgliche Mr. Cave
Droemer Verlag, 2022


Man wird regelrecht hineingezogen in den Sog der Erzählung. Aus der Perspektive des Vaters erzählt Matt Haig die Tragödien, die sich im Leben von Terence Cave abspielen. Immer tiefer in den Wahn gerät der Protagonist, immer besessener wird er von der Angst um seine Tochter. Immer verworrener wird die Geschichte, die Schicksale der Personen hängen immer enger zusammen und am Ende gipfelt Mr. Caves Fürsorge in einer Katastrophe. Er ist zu weit gegangen.
Ein erschütternder, psychologischer Roman, der einem vor Beklemmung fast die Luft zum Atmen nimmt.

Drei Mal schon musste Antiquitätenhändler Terence Cave den Verlust eines geliebten Menschen verkraften: erst den Selbstmord seiner Mutter, dann den Mord an seiner Frau, und schließlich den tragischen Tod seines Sohnes Reuben. Geblieben ist ihm nur noch seine Tochter Bryony, Reubens Zwillingsschwester - und das Gefühl, dass ihm alle genommen werden, die er liebt.
Umso verzweifelter versucht Terence nun, seine wunderschöne Tochter vor jeder Gefahr zu schützen, koste es, was es wolle! Doch die 15-jährige Bryony riskiert immer mehr, um aus dem goldenen Käfig ihres Vaters auszubrechen, und Terence muss sich fragen, ob er sie wirklich nur beschützen will?


David Foenkinos: Das geheime Leben des Monsieur Pick
DVA Verlag, 2018

Ein Bücherherz schlägt höher: Eine Bibliothek der unveröffentlichten / abgelehnten Manuskripte als Ausgangspunkt für ein Verwirrspiel rund um erfolgreiche und gescheiterte Schriftsteller:innen, Verlage, Rezensionen und den Hype, den Bücher auslösen können. Wenn sie zur richtigen Zeit im richtigen Verlag erscheinen, entsprechend gepusht werden und wenn an sie geglaubt wird. Die Liebesgeschichte des unbekannten Autors scheint auf die Protagonisten abzufärben. Paare trennen sich, Liebende finden unerwartet zusammen, Beziehungsmotive wandeln sich und auf der Jagd nach der wahren Entstehungsgeschichte des Romans besinnen sich viele Akteure auf einen eigenen Neuanfang.
Ein französisch-charmanter Roman über die Liebe, verlorene Träume und den Mut, sein Leben in die Hand zu nehmen. Leicht, beschwingt und voller Witz. Und wer nicht selbst lesen will, dem sei das Hörbuch oder die gelungene Verfilmung ans Herz gelegt.

Im bretonischen Finistère, am wind- und wellenumtosten „Ende der Welt“, gibt es eine ganz besondere Bibliothek. Sie sammelt Bücher, die nie erscheinen durften. Eines Tages entdeckt dort eine junge Pariser Lektorin ein Meisterwerk, und der Roman wird zum Bestseller. Der Autor, Henri Pick, war der Pizzabäcker des Ortes. Seine Witwe beteuert, er habe Zeit seines Lebens kein einziges Buch gelesen und nie etwas anderes zu Papier gebracht als die Einkaufslisten - ob er ein geheimes Zweitleben führte?


Caroline Wahl: 22 Bahnen
Dumont Verlag, 2023

Durchschwimmen und hoffen, dass die 22 Bahnen noch lange nicht zu Ende sind! Fast monoton wiederholt sich der Tagesablauf, auch die Sprache der Autorin ist entsprechend. Die Dialoge sind knapp und klar, ihr Ausdruck ironisch, witzig und mit scharfer Zunge formuliert.
Obwohl das hier „keine Liebesgeschichte“ ist – so zumindest belehrt Tilda ihre Schwester Ida – ist es eine Geschichte voller Liebe, Herzenswärme, Empathie, Neugierde, Kraft, Emotionen, Durchhaltevermögen und voller guter Gespräche. Charaktere, die weich gezeichnet sind, authentisch agieren und die nicht nur von der Autorin selbst geliebt werden – auch als Leserin steckt man sofort mitten in der Geschichte und schwimmt mit, bis die Dialoge verstummen.

Tildas Tage sind strikt durchgetaktet: studieren, an der Supermarktkasse sitzen, sich um ihre kleine Schwester Ida kümmern - und an schlechten Tagen auch um die Mutter. Zu dritt wohnen sie im traurigsten Haus der Fröhlichstraße in einer Kleinstadt, die Tilda hasst. Ihre Freunde sind längst weg, leben in Amsterdam oder Berlin, nur Tilda ist geblieben. Denn irgendjemand muss für Ida da sein, Geld verdienen, die Verantwortung tragen. Nennenswerte Väter gibt es keine, die Mutter ist alkoholabhängig. Eines Tages aber geraten die Dinge in Bewegung: Tilda bekommt eine Promotion in Berlin in Aussicht gestellt, und es blitzt eine Zukunft auf, die Freiheit verspricht. Und Viktor taucht auf, der große Bruder von Ivan, mit dem Tilda früher befreundet war. Viktor, der - genau wie sie - immer 22 Bahnen schwimmt. Doch als Tilda schon beinahe glaubt, es könnte alles gut werden, gerät die Situation zu Hause vollends außer Kontrolle.


Elena Fischer: Paradise Garden
Diogenes Verlag, 2023

Elena Fischer erzählt die Geschichte einer starken Mutter-Tochter-Beziehung, die von Wertschätzung, ehrlichem Interesse aneinander und gegenseitigem Vertrauen geprägt ist. Jäh unterbrochen durch einen schrecklichen Unfall, der aber gleichzeitig auch Chance für einen Roadtrip, die Suche nach einem Vater, dessen Herkunft und die Umstände die Mutter unerklärt gelassen hat, und eine Reise ans Meer ist. Die Figuren sind sofort sympathisch und gehen in den Dialog mit den Leser:innen. Figuren, von denen man viel lernen kann.

Die 14-jährige Billie verbringt die meiste Zeit in ihrer Hochhaussiedlung. Am Monatsende reicht das Geld nur für Nudeln mit Ketchup, doch ihre Mutter Marika bringt mit Fantasie und einem großen Herzen Billies Welt zum Leuchten. Dann reist unerwünscht die Großmutter aus Ungarn an, und Billie verliert viel mehr als nur den bunten Alltag mit ihrer Mutter. Als sie Marika keine Fragen mehr stellen kann, fährt Billie im alten Nissan allein los - sie muss den ihr unbekannten Vater finden und herausbekommen, warum sie so oft vom Meer träumt, obwohl sie noch nie da war.


Benedict Wells: Hard Land
Diogenes Verlag, 2021

Man möchte noch einmal 15 sein, wie aufregend und intensiv das Leben in der Jugend doch ist! Jeder Tag bringt Überraschungen, Neues und unzählige „erste Male“. Zumindest vermeintlich, denn das Teenager-Dasein birgt auch viele Enttäuschungen, Langeweile, Schmerz und Kummer und vor allem bringt es den Drang mit sich, dazugehören zu wollen.
All das erlebt Sam in diesem einen Sommer: eine Geschichte über Familie, Verlust, Beziehungen, Freundschaft und Liebe. Und er erlebt es empathisch, körperlich, mit Haut und Haaren. Benedict Wells verleiht seinen Figuren Empathie, Melancholie, Tiefgang und ganz viel Herz!

Missouri, 1985: Um vor den Problemen zu Hause zu fliehen, nimmt der fünfzehnjährige Sam einen Ferienjob in einem alten Kino an. Und einen magischen Sommer lang ist alles auf den Kopf gestellt. Er findet Freunde, verliebt sich und entdeckt die Geheimnisse seiner Heimatstadt. Zum ersten Mal ist er kein unscheinbarer Außenseiter mehr. Bis etwas passiert, das ihn zwingt, erwachsen zu werden.


Maja Lunde: Die Geschichte des Wassers
btb Verlag, 2019

Aktueller denn je: Flüchtlingscamps, Wasserknappheit, Klimawandel. Maja Lunde erzählt fesselnd auf zwei Ebenen und verbindet so Gesellschaftsthemen mit Klimapolitik ohne dabei auf das Zwischenmenschliche zu vergessen: Liebe, Verrat, Familie, Beziehungen, Sorgen und vor allem Nöte. Und sie unterstreicht, dass jede und jeder seine Geschichte aus seinem Blickwinkel erzählt, die Geschichte zwar mit anderen Personen verwoben ist, aber frei nach einem indianischen Sprichwort: „Urteile nie über einen anderen, bevor du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist.“

Norwegen, 2017. Die fast 70-jährige Umweltaktivistin Signe begibt sich auf eine riskante Reise: Mit einem Segelboot versucht sie die französische Küste zu erreichen. Dort will sie den Mann zur Rede stellen, der einmal die Liebe ihres Lebens gewesen ist.
Frankreich, 2041. Eine große Dürre zwingt die Menschen Südeuropas zur Flucht in den Norden, es ist längst nicht genug Trinkwasser für alle da. Doch bei dem jungen Vater David und seiner Tochter Lou keimt Hoffnung auf, als sie in einem vertrockneten Garten ein altes Segelboot entdecken. Signes Segelboot.
Virtuos verknüpft Maja Lunde das Leben und Lieben der Menschen mit dem, woraus alles Leben gemacht ist: dem Wasser. Ihr neuer Roman ist eine Feier des Wassers in seiner elementaren Kraft und ergreifende Warnung vor seiner Endlichkeit.


Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen
btb Verlag, 2018

Die Bienen als Synonym für das Leben und vor allem dafür, wie sehr die Natur im Einklang sein müsste, damit ein gutes Leben für alle Lebewesen auf jedem Fleck dieser Welt möglich wäre. Im Konjunktiv, wie auch in Maja Lundes gefeiertem Erstlingsroman. Denn sie verwebt gekonnt drei Ebenen und erzählt fesselnd über den Beginn des Bienensterbens und wie unsere Welt aussehen könnte, wenn wir diese Klima- und Naturkatastrophen nicht abwenden. Immer verpackt in eine Familiengeschichte, die facettenreich der Geschichte jenen Schliff gibt, der es unmöglich macht, das Buch auf die Seite zu legen.

England im Jahr 1852: Der Biologe und Samenhändler William kann seit Wochen das Bett nicht verlassen. Als Forscher sieht er sich gescheitert, sein Mentor Rahm hat sich abgewendet, und das Geschäft liegt brach. Doch dann kommt er auf eine Idee, die alles verändern könnte – die Idee für einen völlig neuartigen Bienenstock.
Ohio, USA im Jahr 2007: Der Imker George arbeitet hart für seinen Traum. Der Hof soll größer werden, sein Sohn Tom eines Tages übernehmen. Tom aber träumt vom Journalismus. Bis eines Tages das Unglaubliche geschieht: Die Bienen verschwinden.
China, im Jahr 2098: Die Arbeiterin Tao bestäubt von Hand Bäume, denn Bienen gibt es längst nicht mehr. Mehr als alles andere wünscht sie sich ein besseres Leben für ihren Sohn Wei-Wen. Als der jedoch einen mysteriösen Unfall hat, steht plötzlich alles auf dem Spiel: das Leben ihres Kindes und die Zukunft der Menschheit.


Monika Helfer: Die Jungfrau
Hanser Verlag, 2023

Unaufgeregt, sprachgewandt, unprätentiös, wertschätzend – auch in diesem Roman schafft es Monika Helfer über intimste und privateste Themen, Beziehungen und Geschehnisse so zu erzählen, dass niemand verletzt oder bloß gestellt wird, ganz im Gegenteil: Man wünscht sich, die handelnden Personen persönlich kennenzulernen.
Eine Geschichte über Freundschaft, Gegensätze, die Liebe und den Sinn den Lebens.

Gloria und Moni sind beste Jugendfreundinnen – die eine reich, die andere arm. Ein halbes Jahrhundert später begegnen sich die beiden Frauen wieder und Gloria beichtet ihr Lebensgeheimnis: Nie hat sie mit jemandem geschlafen. Früher kam Gloria immer gut an, war exzentrisch und schön, wollte Schauspielerin werden, war viel unter Menschen. Gloria und Moni wachsen auf im Mief der sechziger Jahre, sind konfrontiert mit Ehe, Enge und Gewalt. Wie wurden die beiden zu denen, die sie sind? Monika Helfer macht aus Lebenserinnerung große Literatur. Nach der Trilogie über ihre Familie und Herkunft ist „Die Jungfrau“ ein atemloser Roman über die jahrzehntelange Freundschaft zwischen zwei Frauen.


Martina Parker: Ausgstochen
Gmeiner Verlag, 2023

Lebkuchen, Weihnachtsdeko, Last Christmas – im Oktober – mit mir sicher nicht. Aber bei Martina Parkers neuem Roman musste ich einfach eine Ausnahme machen, denn ich kann mit der Lektüre des Weihnachtskrimis unmöglich warten, bis „endlich“ Advent ist. Die Leiche liegt zwar unterm Christbaum und das grande finale findet zu Weihnachten statt, aber dazwischen ist die Geschichte einfach nur witzig, genial ironisch, spannend, unterhaltsam und Martina Parkers südburgenländisch-britischer Humor aktiviert einfach sämtlich Lachmuskeln.
Und mein persönliches Highlight: Unsere Veranstaltung mit Martina Parker in Vorarlberg kommt in der Danksagung vor!

„Geh hör ma auf. Das gibt's ja nicht. Und des steht alles in dem Biachl von der Frau Bürgermeister?“ Die Frau Fuith war wirklich schockiert. „Nun“, sagte Hilda und leckte sich die Finger ab. „Dieses Buch ist sehr, sehr ordinär.“
„Wirklich? Ordinär sagst du?“, murmelte die Frau Fuith in gespielter Empörung. „Und“, Hilda machte eine bedeutungsvolle Pause, bevor sie etwas Puddingcreme auf ihre Gabel balancierte und zum Mund führte: „Ich glaube, es ist alles wahr, was da drin steht ...“
Der Bürgermeister liegt beim Pannonischen Adventmarkt tot unterm Christbaum. Seine Witwe schreibt Erotikliteratur. Ein Zuagroaster macht aus der Madonnenstatue Kleinholz. Und ein Unbekannter stellt seltsame Fragen. Es geht rund im vorweihnachtlichen Südburgenland. Bei den Ermittlungen ist der Gartenklub an vorderster Front dabei. Denn neben Misteln schneiden, Hyazinthen treiben, Grammeln (Grieben) auslassen und Kekse backen, liebt der Klub der Grünen Daumen die Verbrecherjagd. Und dabei sind Tannenläuse im Christbaum wahrlich das kleinste Problem.


Wolf Haas: Eigentum
Hanser Verlag, 2023

Es ist schon wieder was passiert!
„Alles hin.“ Die Mutter, das Geld, das Leben. - Der neue Roman von Wolf Haas ist wohl sein bisher privatestes Buch. Eine Hommage an seine Mama, würdevoll, wertschätzend, herzlich und trotz der Schwere witzig. Eine Geschichte über das Leben und das Sterben, über Familie und die Gesellschaft, und über das Geld. Denn das immer weiter in die Ferne rückende Eigentum schwebt als unerreichbarer Wunsch über dem Familienleben.
Inhaltlich ein neuer Wolf Haas, sprachlich unverkennbar!

„Ich war angefressen. Mein ganzes Leben lang hat mir meine Mutter weisgemacht, dass es ihr schlecht ging. Drei Tage vor dem Tod kam sie mit der Neuigkeit daher, dass es ihr gut ging. Es musste ein Irrtum vorliegen.“ Mit liebevoll grimmigem Witz erzählt Wolf Haas die heillose Geschichte seiner Mutter, die, fast fünfundneunzigjährig, im Sterben liegt. 1923 geboren, hat sie erlebt, was Eigentum bedeutet, wenn man es nicht hat. „Dann ist die Inflation gekommen und das Geld war hin.“ Für sie bedeutete das schon als Kind: Armut, Arbeit und Sparen, Sparen, Sparen. Doch nicht einmal für einen Quadratmeter war es je genug.


Jan Weiler: Älternzeit
Heyne Verlag, 2023

Es ist alles nur eine Phase! Als Eltern ist man ja meist froh nicht genau zu wissen, was noch so alles auf einen zukommt – Jan Weiler schürt mit seinen Kolumnen jedoch die Vorfreude. Ehrlich, ironisch, witzig und sehr empathisch schildert er die Abnabelung von seinen Kindern – nicht während der Pubertät, da beruht dieser Wunsch nach Abnabelung ja quasi auf Gegenseitigkeit – sondern wenn aus der „Elternzeit“ die „Älternzeit“ wird und die Kinder ausziehen wollen / sollen. In Weiler´scher Sprache, von Till Hafenbrak illustriert – ein fabelhafter Buchtipp für eine kurze Auszeit!

Aus der Älternzeit gibt es keine Rückkehr!
Wenn Fahrdienste und regelmäßige Fütterungen nicht mehr erforderlich sind, bricht für die Ältern ein neues Zeitalter an. Nun fordern die Spätpubertiere aus dem Urlaub in Kroatien größere Geldbeträge an. Sie konfrontieren die Ältern mit deren unfreshen Weltsichten und verbieten ihnen den Gebrauch von Alufolie, längere Autofahrten sowie das Tragen von schicken Hemden. Sie rufen niemals auf dem Festnetz an und schalten die blauen Häkchen bei WhatsApp aus. So beginnt sie - die Älternzeit. Man muss es mit Humor nehmen!


Martin Suter: Melody
Diogenes Verlag, 2023

Irgendwie rechnet man bereits nach ein paar Seiten an mit dem Ende und dennoch sind Martin Suters Geschichten fesselnd. Seine Protagonisten möchte man unbedingt kennenlernen und begleiten, seine Sprache schwelgt zwischen unprätentiös und fordernd, jedenfalls sind Unterhaltung und Spannung garantiert.
Wer denn tatsächlich Protagonist dieser Geschichte ist, bleibt Definitionssache: Ist es die titelspendende Melody, um deren Schicksal sich der ganze Plot dreht? Oder doch Peter Stotz, dessen Biografie Inhalt des Buches ist? Eigentlich wird doch alles aus Toms´ Perspektive erzählt, aber auch Mariella, Robert, Laura und Iosif beeinflussen die Geschichte? Die Figurenkonstellation ist klassisch, der Handlungsstrang einfach, aber dennoch legt der Titel eine falsche Fährte – eine „Suter´sche Ambiguität" – jedes Kapitel schält sich wie eine Matroschka und am Ende bleibt der Kern. Manches ist auserzählt, manches bleibt offen.

In einer Villa am Zürichberg wohnt Alt-Nationalrat Dr. Stotz, umgeben von Porträts einer jungen Frau. Melody war einst seine Verlobte, doch kurz vor der Hochzeit - vor über 40 Jahren - ist sie verschwunden. Bis heute kommt Stotz nicht darüber hinweg. Davon erzählt er dem jungen Tom Elmer, der seinen Nachlass ordnen soll. Nach und nach stellt sich Tom die Frage, ob sein Chef wirklich ist, wer er vorgibt zu sein. Zusammen mit Stotz' Großnichte Laura beginnt er, Nachforschungen zu betreiben, die an ferne Orte führen - und in eine Vergangenheit, wo Wahrheit und Fiktion gefährlich nahe beieinanderliegen.

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Daniel Glattauer: Die spürst du nicht
Zsolnay Verlag, 2023

Keine vier Seiten gelesen und schon ist man eingetaucht in die vorhersehbare Katastrophe. Und schnappt immer wieder nach Luft bei so vielen Schicksalen. Einerseits werden Klischees bedient, denn die Tochter der wohlhabenden Familie heißt bspw. Sophie Luise, andererseits kommen Menschen zu Wort, die sonst sprachlos sind und nicht gehört werden.
Die Zeitspanne bis es zur Katastrophe kommt, ist kurz, was danach kommt, entscheidend intensiver. Auch wenn sich manches erahnen lässt, endet der Roman in einem konstruierten Showdown, was der sprachlichen Glanzleistung, dem spannenden Plot, der mitreißenden Handlungspyramide und den feinfühlig gezeichneten Protagonisten keinen Abbruch tut.

Die Binders und die Strobl-Marineks gönnen sich einen exklusiven Urlaub in der Toskana. Tochter Sophie Luise, 14, durfte gegen die Langeweile ihre Schulfreundin Aayana mitnehmen, ein Flüchtlingskind aus Somalia. Kaum hat man sich mit Prosecco und Antipasti in Ferienlaune gechillt, kommt es zur Katastrophe.
Was ist ein Menschenleben wert? Und jedes gleich viel? Daniel Glattauer packt große Fragen in seinen neuen Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen kann und in dem er all sein Können ausspielt: spannende Szenen, starke Dialoge, Sprachwitz. Dabei zeichnet Glattauer ein Sittenbild unserer privilegierten Gesellschaft, entlarvt deren Doppelmoral und leiht jenen seine Stimme, die viel zu selten zu Wort kommen.


Arno Geiger: Das glückliche Geheimnis
Hanser Verlag, 2023

Jeder Satz ein Geheimnis. Jedes Wort geglückt. Arno Geiger zu lesen, fasziniert. Aber eher seine Sprache, seine Art zu erzählen und nicht der Inhalt – zumindest bei diesem Buch. Seine Streifzüge durch Wien und vor allem das Gefundene mögen ihn inspiriert haben, eine Geschichte dahinter dürfen die Leser:innen jedoch nicht erwarten. Es handelt sich eher um eine Selbstinszenierung, eigentlich ein Seelen-Striptease, der allerdings nicht nur Arno Geiger selbst unverhüllt zeigt, sondern zu weiten Teilen auch seine engste Familie – Eltern und Geschwister – und vor allem seine Liebschaften. Leider ein bisschen zu viel des Guten.

Frühmorgens bricht ein junger Mann mit dem Fahrrad in die Straßen der Stadt auf. Was er dort tut, bleibt sein Geheimnis. Zerschunden und müde kehrt er zurück. Und oft ist er glücklich. Jahrzehntelang hat Arno Geiger ein Doppelleben geführt. Jetzt erzählt er davon, pointiert, auch voller Witz und mit großer Offenheit. Wie er Dinge tat, die andere unterlassen. Wie gewunden, schmerzhaft und überraschend Lebenswege sein können, auch der Weg zur großen Liebe. Wie er als Schriftsteller gegen eine Mauer rannte, bevor der Erfolg kam. Und von der wachsenden Sorge um die Eltern. Ein Buch voller Lebens- und Straßenerfahrung, voller Menschenkenntnis, Liebe und Trauer.


Susanne Kristek: Die nächste Depperte
Gmeiner Verlag, 2023

Manch jemand wird glauben, dass es sich hier um eine Satire handelt, aber ich kann versichern, dem ist nicht so! Susanne Kristek erzählt vom Wunsch Bestseller-Autorin zu werden und vor allem davon, dass man scheinbar glaubt „es“ geschafft zu haben, wenn man erst sein Buch in Händen hält. Dass die Arbeit dann erst beginnt und es noch ein weiter Weg bis zum neuen Star am Autor:innen Himmel ist, vermag Susanne Kristek ungeschönt, ungesüßt und ohne Illusionen zu beschreiben. Witzig, kurzweilig und ehrlich bleibt als Resümee: Hinfallen – Aufstehen – Krone richten – Weitergehen! Und niemals die Hoffnung aufgeben, denn immer wieder gehen sie doch auf – die neuen Sterne am Autor:innen Himmel!

»Vermutlich ist es leichter, unbefleckt schwanger zu werden, als einen Bestseller zu schreiben.« Das beschwerliche Leben einer Frau, die es sich in den Kopf gesetzt hat, Bestseller-Autorin zu werden und in ihrem Eifer vor keiner durchgeknallten Idee zurückschreckt. Sie bedrängt den Pfarrer für eine Besprechung im örtlichen Pfarrblatt, hält Lesungen vor Toten und lässt sich von Hera Lind in Hausschuhen coachen. Ein schwarzhumoriger, rasanter Roman über die Höhen und Tiefen des Autorenlebens - satirisch und saukomisch!


Jad Turjman: Wenn der Jasmin auswandert
Residenz Verlag

Ein fesselndes Buch, das man kaum zur Seite legen kann. Stimmig, authentisch, auch humorvoll. Man kann sie gut aushalten, die schrecklichen Dinge, die ihm auf seinem Weg widerfahren, da ist kein Selbstmitleid dabei. Er schildert sehr eindrucksvoll, wieviel Hilfe er von Menschen bekommen hat und wie oft der Zufall über Leben oder Tod entscheidet. Das Schlepperwesen ist absolut glaubhaft dargestellt und das Versagen und die fehlende Empathie der Behörden in allen Ländern macht fassungslos. Ein wertvoller Beitrag zur Debatte um die Einwanderung, sehr zu empfehlen! Tragisch sein Unfalltod und schade um alles, was er uns noch hätte erzählen können.

Es gibt eine Sehnsucht. Eine Sehnsucht nach einem Gefühl, nach der Heimatstadt Damaskus, nach dem Geruch von Jasmin. Jad Turjman ist ein junger Syrer, der sein Leben, bevor der Krieg ausbrach, in vollen Zügen genoss. Als der Einberufungsbefehl kommt, steht die Entscheidung schnell fest: die Flucht nach Europa ist die einzige Möglichkeit, um dem sicheren Tod zu entrinnen. Dieser Weg ist abenteuerlich und mühsam, jedoch begegnen ihm fünf "Schutzengel". Schließlich kommt Turjman an einem Ort an, den er nicht gesucht hat, an dem er jedoch den Jasmin neu pflanzen kann. Jad Turjman hat seine Fluchtgeschichte in einer beispiellosen Intensität beschrieben, mit Humor setzt er uns einem Wechselbad der Gefühle aus.

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Martina Parker: Aufblattelt
Gmeiner Verlag, 2023

Kaum „Aufblattelt“ schon „Ausglesn“! – leider. Auf über 400 Seiten wird gemordet (und zwar nicht zu wenig), gegartelt, gelacht, getanzt, gefeiert, ge…. Intrigen, Affären, ein Hauch von Adel und wieder ganz viel Südburgenland. Man möchte einfach sofort hinfahren – dorthin, wo die Handwerker beim Hausumbau fragen „Sollen wir auf den Mann warten?“, wenn NUR die Frau zugegen ist, dorthin, wo es „Adebar Knoblauch-Chips“ gibt und dorthin, wo man die Vorarlberger einfach nicht versteht, obwohl das „Hianzerische“ auch nicht so ohne ist. Witzig, kurzweilig, spannend, unterhaltsam und eine Hommage ans Südburgenland – das Land der Sonne!

Holla die Waldfee: Im Land der Burgen sind die Adeligen nicht weit. Aber trotz Titel und Latifundien, leicht haben sie haben es nicht die Hohenfelsen. Der alte Graf trägt ein Geheimnis mit sich, das ihm nicht mal Oma Hilda beim Pensionistentreffen entlocken kann. Der junge ist ein Umweltrevoluzzler, der mit seiner Brautwahl schockiert: Isabella Kirnbauer, Waldpädagogin und Mitglied im Klub der Grünen Daumen. Über deren Familie erzählt man sich nichts Gutes. Und als Isabellas Großmutter die Grafen bei der Hochzeit verflucht, nimmt das Böse seinen Lauf. Gewilderte Tiere im Wald, eine Brautjungfer, die blutspuckend zusammenbricht... Die Gartenladies beginnen nachzuwassern. Und bald schon steht neben Rosenbetrachtung, Johanniskrautpflücken und Löwenzahnverarbeiten auch die Jagd nach eine(r) Mörder:in auf dem Programm.

„Hast schon gehört?“ „Was meinst?“
„Na die Sache mit dem jungen Grafen.“
„Was ist mit dem? Jetzt sag schon.“
„Er heiratet ein Mädchen von hier. Isabella Kirnbauer.“
„Oh ... das ist ja ...“
Jeder im Bezirk wusste, wer der Isabella ihr Vater war. Der alte Säufer. Und ihre Großmutter - über die sprach man besser gar nicht. Das ist ja wie in der „Neuen Post“. Nur besser, weil man im Südburgenland ist und die Leute persönlich kennt. Und dass dann die Gegenbraut auf der Hochzeit Blut spuckend zusammenbricht, ist erst der Anfang der Katastrophe ...


Claudia Schumacher: Liebe ist gewaltig
DTV, 2022

Dieses Buch ist tatsächlich gewaltig. Sprachgewaltig, emotionsgewaltig, gewalttätig, fesselnd und bedrückend.

Juli wächst in einer Vorzeigefamilie auf: Die Eltern sind Rechtsanwälte, sie ist Klassenbeste. Doch in der Kleinstadtvilla herrscht das Grauen. Der Vater drillt die Kinder auf Leistung, prügelt sie und seine Frau. Juli wird älter, fordert ein Ende der Gewalt, deren Realität von der Mutter vehement abgestritten wird. Einzig ihre Geschwister und eine Maus geben Halt. Doch wie kann man sich befreien, wenn man weder den Eltern noch den eigenen Erinnerungen traut? Die Befreiung gerät zum Feldzug - gegen die Eltern und das eigene Ich. Drei Jahrzehnte folgen wir Juli, die mit aller Macht versucht, die Deutungshoheit über ihr Leben zu erlangen. Ein eindringlicher Roman über Verletzungen und eine mögliche Heilung, voller Originalität und Wärme.

Kaum zu glauben, dass man Gut und Böse, Wahrheit und Fiktion, Einbildung und Realität, Liebe und Hass, Abhängigkeit und Freiheit so ambivalent leben kann. Ein Leben zwischen Himmel und Hölle, zwischen dem Wunsch nach Liebe und Nähe und dem Wunsch nach Ausbruch. Juli ist reflektiert und dennoch voller Selbstzweifel, sie kennt den Ausweg, hat aber nicht die Stärke den Weg zu gehen. Sie verliert sich in einer Liebesbeziehung, ist erneut mit dem Scheitern konfrontiert und scheint sich schon fast wieder in ein Abhängigkeitsverhältnis zu begeben, bis sie schließlich doch noch erkennt, dass niemand das Recht hat sie zu verletzen. Ein erster Schritt ist gesetzt, aber der Weg noch ein weiter.


Beate Rygiert: Frau von Goethe
Aufbau Taschenbuch Verlag, 2021

Nicht mehr ganz neu, aber Goethe ist ja auch zeitlos 😉 Erzählt wird die Geschichte einer unkonventionellen und mutigen Frau und es ist eine der schönsten Liebesgeschichten der Weltliteratur. Hochemotional, fesselnd und kenntnisreich, sodass man eintauchen möchte ins Leben von Johann Wolfgang von Goethe und seiner bezaubernden Frau Christiane.

Weimar, 1788: Christiane Vulpius ist Putzmacherin in einer Kunstblumen-Manufaktur, als sie mit der Bittschrift ihres Bruders beim Geheimen Rat Goethe, dem begehrtesten Junggesellen Weimars, vorstellig wird. Gesellschaftlich trennen sie Welten, und doch ist es für beide Liebe auf den ersten Blick. Zunächst können sie ihr leidenschaftliches Verhältnis geheim halten. Als Christiane jedoch schwanger wird, schlagen ihr vonseiten der „guten Gesellschaft“ Hass und Verachtung entgegen. Aber Goethe steht zu ihr, dem Kind, zu ihrer Liebe, führt den Begriff der „wilden Ehe“ ein und führt mit ihr eine Beziehung auf Augenhöhe und in gegenseitiger Wertschätzung. Ein Leben in Leidenschaft, als emotionale Achterbahn, zwischen Gelehrten, Dichtern und dem Theater: Für Goethe stehen aber immer das Gemeinwohl und die Familie an erster Stelle. Absolut lesenswert!


Eva Rossmann: Tod einer Hundertjährigen
Folio Verlag, 2022

Mira und Vesna ermitteln wieder! Obwohl es inzwischen 21 Mira-Valensky-Krimis gibt, schafft es Eva Rossmann, dass ich mich jedes Mal aufs Neue freue. Im Unterschied zu anderen Krimi-Reihen wiederholt sich bei Eva Rossmann das Setting nicht und auch die Rahmengeschichte ist jedes Mal eine gänzlich andere. Meist aktuell, sehr gut recherchiert und immer mit einer Botschaft – die man verstehen kann oder eben nicht 😉

„A kent’ànnos! Mögest du hundert Jahre alt werden“, wünscht man sich in Sardinien. Es wirkt: In der Ogliastra, dem rauen Hochland, leben die Menschen besonders lange. Das Geheimnis der Hundertjährigen zieht nicht nur Wissenschaftler an. Mit der Sehnsucht, gesund und glücklich alt zu werden, lassen sich auch gute Geschäfte machen. Präparate, die Zellgesundheit und Immunsystem stärken sollen, boomen.
Doch dann stirbt Tzia Grazia mit hundertzwei Jahren und ihre beste Freundin behauptet, das sei kein natürlicher Tod gewesen. Die Wiener Journalistin Mira Valensky und ihre Freundin Vesna Krainer ermitteln: Hat der Hirte nur fantasiert? War es Blutrache? Oder gibt es ein viel profaneres Motiv?
Nach einem weiteren Todesfall überschlagen sich die Ereignisse.


Cathy Bonidan: Das Glück auf der letzten Seite
Zsolnay, 2022

Ich liebe Brief-Romane. Spätestens seit Daniel Glattauers „Gut gegen Nordwind“ erlebt das Genre ohnehin eine Renaissance 😉 Diesmal ist es aber ganz anders, denn einerseits wird nicht über E-Mails kommuniziert, sondern in Briefen und das intensiviert dieses „Warten auf die Antwort“-Gefühl noch mehr und erhöht die Spannung und es die Kontaktaufnahme ist kein Irrtum, sondern höchste Absicht. Denn im Urlaub findet Anne Lise ein Manuskript, das schon über 30 Jahre alt ist. Fasziniert vom Text, versucht sie den Autor ausfindig zu machen – der Beginn einer spannenden Geschichte. Es wird nicht nur die Frage, wie das Buch in das Hotel gekommen ist, geklärt, sondern viel mehr auch wie es zu diesem Text gekommen ist, wer hinter dem Autor steht und welche Lebensgeschichten sich wie entwickelt haben. Schon bald stellt sich heraus, dass der geheimnisvolle Text das Leben von all denen, die ihn gelesen haben, in eine neue Richtung lenkt.
Eine Hommage an das Briefeschreiben, an das Lesen, an das Buch und an die Liebe!


Martina Leibovici-Mühlberger: Wie wir unsere Kinder retten und die Welt dazu
Gräfe und Unzer, 2022

Anfangs klingt alles ganz dramatisch und es scheint, als ob die Zukunft ein düsteres Szenario für Kinder und Jugendliche bereit hält. Martina Leibovici-Mühlberger, die ich auch schon persönlich kennenlernen durfte, erzählt vom 5-jährigen Konstantin, der während der Corona-Pandemie einen Waschzwang entwickelt hat oder vom 16-jährigen Peter, der durch Covid sein Basketball-Team gegen Videospiele eingetauscht hat. Sie beschreibt Ess-Störungen und Suizidgedanken bei Kindern, weist auf lange Wartelisten bei Kinderpsychologen und auf überfüllte Kinder-Psychiatrien hin. Allerdings eine Momentaufnahme und Corona hat viele Missstände einfach nur sichtbar gemacht. Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät und Martina Leibovici-Mühlberger bricht eine Lanze für Kinder und Jugendliche, denn sie haben keine Lobby. Sie malt eine Zukunftsvision, die hoffen lässt, denn gerade die Erfahrungen der Pandemie können zum Dreh- und Angelpunkt dafür werden, dass nun eine besonders starke und selbstbewusste nächste Generation heranreift, die mit ruhigem Geschick und Umsicht später das Ruder übernehmen wird. Unsere Aufgaben als Erwachsene: Wir müssen sie nur richtig begleiten. Das sollte doch zu schaffen sein!
Wenn alles klappt, darf ich Martina Leibovici-Mühlberger im Oktober zu einem Vortrag in Vorarlberg begrüßen!


Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie
Piper Verlag, 2022

Ich kann es kaum fassen, dass diese Geschichte vor 60 Jahren spielt. Gleichzeitig ist es unglaublich, wie sich die Rolle und die Möglichkeiten der Frauen seit damals verändert haben. Zumindest in der westlichen Welt. Die wissenschaftliche Karriere war den Frauen verwehrt, sie brauchten oftmals einen finanziellen Vormund, ihre Aufgabe war auf Haus und Kinder reduziert.

Die Protagonistin Elizabeth Zott möchte dieses Gefängnis aufbrechen, sie möchte unabhängig sein. Aber bereits ihre Kindheit ist schwierig. Ihre wissenschaftliche Karriere wird torpediert, ihre Forschungsergebnisse geklaut und sie wird unterdurchschnittlich bezahlt. Als sie die Liebe ihres Lebens kennenlernt, befürchtet sie in eine Abhängigkeit zu geraten. Nach Calvin Evans Tod bleibt sie ohne Absicherung und mit einem unehelichen Kind zurück. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, erwacht die Löwin in ihr. Sie baut ihre Küche in ein Labor um, verkauft ihr Wissen an unfähige Labormitarbeiter und wird Fernsehköchin. Am Höhepunkt ihrer Karriere wirft sie den Deckel drauf und widmet sich wieder der Wissenschaft. Die Lebensgeschichte ihres Geliebten und der Forschungstrieb ihrer Tochter Mad stehen nicht nur zwischen den Zeilen und erst zum Schluss ergeben die einzelnen Handlungsstränge ein großes Ganzes und werden zum Grande Finale.

Elizabeth Zott ist eine Frau mit dem unverkennbaren Auftreten eines Menschen, der nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Doch es ist 1961, und die Frauen tragen Hemdblusenkleider und treten Gartenvereinen bei. Niemand traut ihnen zu, Chemikerin zu werden. Außer Calvin Evans, dem einsamen, brillanten Nobelpreiskandidaten, der sich ausgerechnet in Elizabeths Verstand verliebt. Aber auch 1961 geht das Leben eigene Wege. Und so findet sich eine alleinerziehende Elizabeth Zott bald in der TV-Show »Essen um sechs« wieder. Doch für sie ist Kochen Chemie. Und Chemie bedeutet Veränderung der Zustände ...


Mareike Fallwickl: Die Wut, die bleibt
Rowohlt Verlag, 2022

Keine leichte Kost. Ein Buch, das mich persönlich sehr betroffen macht. Einerseits weil ich mich so unglaublich gut in Helene hineinversetzen kann und andererseits weil es mich sehr berührt hat, wie verlassen sich die Kinder fühlen. Eine abermalige Bestätigung, dass die Letzt- und Endverantwortung eben meist bei den Mamas liegt – nicht nur administrativ, sondern vor allem emotional.
Eine Geschichte, die den Alltag einer 5-köpfigen Familie erzählt, mit all ihren Bedürfnissen und Anforderungen, gespickt mit vielen Klischees und Vorurteilen. Ein Pubertier, das seine Grenzen sucht und überschreitet, Kleinkinder, die körperliche Nähe und Verlässlichkeit suchen, eine (noch) kinderlose beste Freundin, die versucht zu verstehen und zu helfen und dabei ihre eigenen Träume erwachen lässt. Ein Mann, der den vermeintlich einfachsten Weg geht und für seine Trauer keinen Ausdruck findet. Und alles in einer Zeit der Krise, die manches noch deutlicher sichtbar und noch brisanter gemacht hat. Was alle verbindet: die Wut. Die Wut auf andere, die Wut auf sich selbst, die Wut auf die Gesellschaft, die Wut auf das System und am Ende die Erkenntnis, dass es viel Kraft kostet, sich selbst nicht zu verlieren und seinen eigenen Weg zu gehen. Ohne seine Liebsten vor den Kopf zu stoßen oder gar zu verlieren, ohne ausschließlich auf sich selbst zu schauen, aber auch ohne ständige Kompromisse. Ein starkes Buch, das in meinen Augen Pflichtlektüre sein sollte: für Mamas, für Papas, für Omas, für Opas, für Menschen ohne eigene Kinder und auch für welche mit Kinderwunsch. Und vor allem für Pubertiere…

Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit.
Helenes beste Freundin Sarah, die Helene ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die älteste Tochter von Helene, sucht nach einer Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.
Drei Frauen: Die eine entzieht sich dem, was das Leben einer Mutter zumutet. Die anderen beiden, die Tochter und die beste Freundin, müssen Wege finden, diese Lücke zu schließen. Ihre Schicksale verweben sich in diesem bewegenden und kämpferischen Roman darüber, was es heißt, in unserer Gesellschaft Frau zu sein.


Judith W. Taschler: Über Carl reden wir morgen
Zsolnay Verlag, 2022

Finden Sie Ihr Glück und behalten sie es. Ein Satz, scheinbar so einfach und dennoch kämpfen die Familienmitglieder in Judith Taschlers neuem Roman „Über Carl reden wir morgen“ immer wieder darum ihr Glück zu finden, es zu behalten und vor allem es auch zu teilen. Die Familiengeschichte, die sich über fast 100 Jahre – bis kurz nach Ende des ersten Weltkriegs – zieht, ist komplex aufgebaut, die häufigen Zeitwechsel bewirken, dass man leicht den Überblick verliert. Ein beigefügtes Lesezeichen mit aufgezeichnetem Stammbaum erleichtert zwar dem Handlungsstrang folgen zu könne, dürfte aber durchaus ausführlicher sein.

Starke Frauenfiguren, klassische Familienkonstrukte, Männer mit Weitblick, schicksalsträchtige Liebespaare – alle Protagonisten haben mich in ihren Bann gezogen und ließen mich eintauchen in das Leben des 19. Jahrhunderts, in die Zeit des ersten Weltkrieges, die politischen Wirren und die Sehnsucht nach dem großen Glück und nach der großen weiten Welt. Die Familiengeschichte ist bis ins kleinste Detail durchdacht, alle Schicksale scheinen miteinander verwoben und so stört es auch nicht, dass einzelne Inhalte doppelt erzählt werden, denn jeder Charakter hat seine eigene Perspektive, seinen eigenen Handlungsstrang. Die Entscheidungen mancher Figuren hängen direkt mit dem Tun anderer Protagonisten zusammen, bestimmen über Leben und Tod, über Glück und Unglück. Schade, dass der Roman 1922 endet, ich hätte gerne gewusst was aus der Hofmühle und ihrer Besitzer geworden ist.

Fast hat man sich in der Hofmühle damit abgefunden, dass Carl im Krieg gefallen ist, als er im Winter 1918 plötzlich vor der Tür steht. Selbst sein Zwillingsbruder Eugen hätte ihn fast nicht erkannt. Eugen ist nur zu Besuch, er hat in Amerika sein Glück gesucht und vielleicht sogar gefunden. Wird er es mit Carl teilen? Lässt sich Glück überhaupt teilen? Judith W. Taschler hat einen großen Familienroman geschrieben. Über drei Generationen verfolgen wir gebannt das Schicksal der Familie Brugger, deren Leben in der Mühle vor allem die Frauen prägen. Das einfühlsame Porträt eines Dorfes, ein Buch über Abschiede und die Liebe unter schwierigen Vorzeichen, über den Krieg und die unstillbare Sehnsucht nach vergangenem Glück.


Matt Haig: Die Mitternachtsbibliothek
Verlag Droemer, 2021

Der Plot faszinierend, die Vorstellung beängstigend, die Idee grandios, das Ende versöhnlich. Matt Haig veranschaulicht wie viele Facetten das Leben hat und wie jede (größere) Entscheidung richtungsweisend ist. Fesselnd erzählt er von den vielen verschiedenen Leben der Nora Seed und gleichzeitig auch davon, dass Glück eine Momentaufnahme ist. Erst wenn man mit sich im Reinen ist, kann das Leben beginnen, denn alles wird wieder einmal besser. Alles wird gut. Eine Hommage ans Leben!

Stell dir vor, auf dem Weg ins Jenseits gäbe es eine riesige Bibliothek, gesäumt mit all den Leben, die du hättest führen können. Buch für Buch gefüllt mit den Wegen, die deiner hätten sein können. Hier findet sich Nora Seed wieder, nachdem sie aus lauter Verzweiflung beschlossen hat, sich das Leben zu nehmen. An diesem Ort, an dem die Uhrzeiger immer auf Mitternacht stehen, eröffnet sich für Nora plötzlich die Möglichkeit herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Jedes Buch in der Mitternachtsbibliothek bringt sie in ein anderes Leben, in eine andere Welt, in der sie sich zurechtfinden muss. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist? Matt Haig ist ein zauberhafter Roman darüber gelungen, dass uns all die Entscheidungen, die wir bereuen, doch erst zu dem Menschen machen, der wir sind. Eine Hymne auf das Leben - auch auf das, das zwickt, das uns verzweifeln lässt und das doch das einzige ist, das zu uns gehört.


Dolores Schmidinger: Hannerl und ihr zu klein geratener Prinz
Verlag Kremayr & Scheriau, 2021

Diese Johanna hätte ich gerne kennengelernt. Eine starke, selbstbewusste, couragierte und kluge Frau. Eine Frau, die ihren Wert kennt und weiß, was sie kann und was sie will. Und trotzdem ist sie gefangen in ihrer Zeit, die nicht nur vom Nationalsozialismus, sondern vor allem auch von der Männerherrschaft geprägt ist. Johanna resigniert, kämpft, duckt sich, macht sich groß, schweigt, wird zynisch, verliert aber nie die Sprache, nie ihren Kämpfergeist und verrät vor allem nie sich selbst. Sie bleibt sich treu und schenkt der wunderbaren Dolores das Leben.

Wir schreiben das Jahr 1938. Bei der „Gewerkschaft der Arbeiter im Lebens- und Genussmittelgewerbe“ treffen die quirlige Sozialdemokratin Johanna Deweis, die ihre Karriere fest im Blick hat, und der linkische Erzkatholik Josef Schmidinger, der sich als Tenor auf den Bühnen der Welt wähnt, aufeinander. Trotz aller Unterschiede kommt sich das ungleiche Paar näher – aber ob diese Verbindung auf Dauer gutgehen kann?

Schauspielerin und Kabarettistin Dolores Schmidinger taucht mit dem ihr eigenen fatalistischen Humor in die (Un-)Tiefen ihrer Familiengeschichte ein und entwirft ein Panoptikum an eigenwilligen Charakteren: Freigeister und Revoluzzer, Genussmenschen und Selbstverleugnerinnen, glühende Nationalsozialisten und bigotte Mitläufer. Entlang der Lebenslinien ihrer Eltern und Großeltern liefert Schmidinger eine mit spitzer Feder geschriebene Parabel darauf, wie Lebensträume am Alltag zerschellen, Frauen sich (noch immer) für Männer klein machen – und nicht zuletzt darüber, wie Mitläufertum in Zeiten einer Diktatur zum Normalfall wird.


Laetitia Colombani: Das Mädchen mit dem Drachen
S. Fischer Verlag, 2022

Mitten ins Herz! Die Geschichte von Léna, Lalita, Preeti und dem Schicksal vieler indischer Mädchen (und Buben) hat mich tief berührt. Wer schon „Der Zopf“ gelesen hat, begegnet der Tochter des Rattenfängers wieder, die durch Léna plötzlich eine echte Chance zu bekommen scheint, aber die Gesetze und Traditionen in Indien sind anders, brutaler – es geht ums nackte Überleben. Laetitia Colombani (bzw. ihre Übersetzerin Claudia Marquardt) kann schreiben, erzählt fesselnd, beschönigt wenig und führt ihre Leser direkt in die tiefsten Slums Indiens. Man vermeint das Meer zu hören, den Chai zu riechen und die Hitze zu spüren.
Ob die Geschichte von der „Retterin“ aus dem Westen, der guten weißen Frau, die den Kindern den Zugang zur Bildung ermöglicht, die Geschichte vom Idealismus einer kinderlosen Lehrerin, die in Indien zur „Mutter“ wird und die Geschichte vom unermüdlichen Glauben an das gute Ende auch in der Realität funktioniert, darf offen bleiben. Träumen ist erlaubt und nicht nur in der Welt der Bücher ist alles möglich!

„Das Mädchen mit dem Drachen“ - nach „Der Zopf“ und „Das Haus der Frauen“ der neue Roman der Bestsellerautorin Laetitia Colombani. Eine Schule am Indischen Ozean - ein hoffnungsvoller Ort, der alles verändert. Am Golf von Bengalen will Léna ihr Leben in Frankreich vergessen. Jeden Morgen beobachtet sie das indische Mädchen Lalita, das seinen Drachen fliegen lässt. Als Léna von einer Ozeanwelle fortgerissen wird, holt Lalita Hilfe bei Preeti, der furchtlosen Anführerin einer Selbstverteidigungsgruppe für junge Frauen. Léna überlebt und zusammen mit Preeti schmiedet sie einen Plan, der nicht nur Lalitas Leben grundlegend verändern wird. Wie schon in ihren Bestsellern „Der Zopf“ und „Das Haus der Frauen“ erzählt Laetitia Colombani bewegend und mitreißend von mutigen Frauen, denen das scheinbar Unmögliche gelingt. Das indische Mädchen Lalita, bekannt aus „Der Zopf“, bekommt im Roman „Das Mädchen mit dem Drachen“ ihre eigene Geschichte.


Martina Parker: Hamdraht
Gmeiner Verlag, 2022

Ich muss gestehen: Ich bin ein Südburgenland-Fan, aber nicht nur deshalb bekommt auch „Hamdraht“ – nach „Zuagroast“ – 10 von 10 Punkten! Martina Parker kann schreiben, sie nimmt die Südburgenländer liebevoll aufs Korn, macht subtil Werbung für die Region (nicht zu viel, damit keine Tourismushochburg aus der Weinidylle wird), versteht es die Personen ihre eigene Persönlichkeit entwickeln zu lassen, versprüht Sarkasmus und Humor und sie unterhält. Auf lustige, spannende und niveauvolle Art – ein Buch, das man – einmal angefangen – nicht mehr weglegen kann!

Sanfter Tourismus im Südburgenland? Von wegen. Der „zuagroaste“ Arno will den „Hiesigen“ zeigen, wie Wellness geht, setzt sich dabei aber ordentlich in die Nesseln. Die kräuterkundige Köchin Mathilde kocht lieber ihren Chef ein als die Gäste. Die beißen ohnehin bald ins Gras. Lokaljournalistin Vera recherchiert und gräbt dabei zu tief. Und auch die Mitglieder des Gartenklubs haben ihre grünen Daumen im Spiel.


Wolf Haas: Müll
Hoffmann & Campe Verlag, 2022

Es ist schon wieder was passiert! Diesmal wird statt in den Abgründen der MA 2412 in jenen der MA 48 gewühlt. Simon Brenner ist zurück: Als Mietnomade, der seine Brötchen mit Müll trennen verdient. Und ob du es glaubst oder nicht: Er ist mittendrin, wenn eine zerstückelte Leiche wieder zusammengesetzt wird. Zufall nichts dagegen. Auf Brenners Spürsinn ist weiterhin Verlass, seine Menschenkenntnis umwerfend, sein Humor und sein Wortwitz sowieso. Der Falls scheint eigentlich geklärt, bis die Geschichte erneut Fahrt aufnimmt und schlussendlich fast in einem Fiasko endet. Grande Finale Hilfsausdruck sozusagen.
Alle Brenner-Fans können sich schon auf die Verfilmung freuen, im Kopfkino hat Josef Hader jedenfalls schon im Dings, im Müllauto, Platz genommen!

Auf einem der Wiener Mistplätze (dt.: Altstoffsammelzentrum) herrscht strenge Ordnung, bis eines Tages in der Sperrmüllwanne ein menschliches Knie gefunden wird. Schnell tauchen in anderen Wannen weitere Leichenteile auf, die entgegen der Mistplatzordnung und zum großen Leidwesen der Müllmänner allesamt nicht korrekt eingeworfen wurden. Nur vom Herz des zerlegten Toten fehlt jede Spur. Die Kripo weiß nicht weiter. Zum Glück ist unter den Müllmännern ein Ex-Kollege, der nicht nur das fehlende Herz samt Begleitschreiben findet, sondern auch nie vergessen hat, was man bei Mord bedenken muss. Und damit steckt Simon Brenner nicht nur in einem neuen Fall, sondern auch bis zum Hals in Schwierigkeiten.


Claudia Rossbacher: Steirerwahn
Gmeiner Verlag, 2022

Sandra Mohrs zwölfter Fall – die Fortsetzung der Serie habe ich eigentlich nur gelesen, weil ich Claudia Rossbacher persönlich kennenlernen durfte und ich sie sehr sympathisch finde. Wie so oft verliert eine (Krimi-)Reihe nach einigen Folgen ihren Reiz, die Ausdrucksweise wiederholt sich ebenso wie der Aufbau. Die Charaktere sind „ausgelutscht“ und die ständigen Repliken auf vorangegangene Fälle langweilen. Aber kaum angefangen, fesselt die Geschichte doch wieder, man möchte nicht nur wissen wer gemordet hat, man hängt auch mitten drin in den Liebeswirrungen der beiden Kommissare. Und der Schluss? Obwohl der Mord natürlich aufgeklärt ist, endet er ziemlich unbefriedigend mit „Ihr Nachbar nahm ihre Hand und küsste sie“ bzw. mit „Schlaf dich gesund, Liebling“. Jetzt warte ich eben doch auf den 13. Band, um wenigstens zu wissen wie die Liebesgeschichte weiter geht!

An der Steirischen Apfelstraße wird ein Mann mit einer Holzkugel in der Mundhöhle aufgefunden, erdrosselt mit dem Strick seiner Kutte. Die LKA-Ermittler Sandra Mohr und Sascha Bergmann erfahren, dass der Tote den Apfelmännern angehörte, die sich an diesem Morgen in Brennklausur begaben, um in einem geheimen Ritual den angeblich weltbesten Apfelschnaps herzustellen. Warum aber wurde der Obstbauer ermordet? Und wer steckt dahinter? Bald schon soll der nächste Apfelmann sterben. Ein Serienkiller treibt sein Unwesen.


Oskar Seyfert: Vom Privileg einen kranken Vater zu haben
Westend Verlag, 2022

Einfach, aber direkt. Die Worte eines 15-Jährigen: offen, ungeschönt und ehrlich. Oskar beschreibt vom Stolz ein Buch zu schreiben, dabei mag er darauf eigentlich gar nicht stolz sein, weil er die Chance dazu nur bekommt, weil sein Vater „behindert“ ist. Erkrankt an Alzheimer, mit erst 54 Jahren. Oskar erzählt von einem liebevollen Vater, wie er die Krankheit seines Vaters erlebt, von Höhen und Tiefen und vom Abschiednehmen. Optimistisch, aber traurig. Eine authentische Geschichte und eine Empfehlung für alle, die einen geliebten Menschen an Alzheimer „verlieren“.

Oskar ist elf, als sein Vater an Alzheimer erkrankt. Jetzt, mit fünfzehn Jahren, erzählt er in einem berührender Text über den kranken Vater und wie dieser seine angestammte Rolle immer weniger ausfüllen kann. Wie gehen Oskar, seine Geschwister und seine Mutter mit dieser schwierigen Situation um?
Oskars Buch ist ein Bericht über die Liebe eines Sohnes zu seinem Vater und darüber, wie ein Schicksalsschlag den familiären Zusammenhalt erschüttert — aber nicht zu zerstören vermag.


Monika Helfer: Löwenherz
Hanser Verlag, 2022

Ich habe sehnsüchtig auf den dritten Teil dieser so persönlichen Familiengeschichte gewartet. Während der erste Band noch den Titel „Die Bagage“ trägt, ist „Löwenherz“ nun „unserer Bagage“ gewidmet. Als Vorarlbergerin könnte man den Begriff durchaus abwertend auffassen, Monika Helfer belegt ihn aber mit einem wertschätzenden und liebevollen Attribut. Im Mittelpunkt steht Monika Helfers Bruder, die Geschichte ist aber mehr als eine Reise in die Vergangenheit. Sie streckt sich bis in die Gegenwart, enthält sehr viel Persönliches und lässt tief blicken.

Monika Helfer erinnert sich an ihren Bruder Richard. Seit dem Tod der Mutter wachsen sie und ihre Schwestern getrennt vom kleinen Bruder auf. Sie sehen sich selten, verlieren die Verbindung. Es ist die Zeit des Deutschen Herbstes. Richard ist da bereits ein junger Mann, von Beruf Schriftsetzer. Er ist ein Sonderling, das Leben scheint ihm wenig wichtig. Verantwortung übernimmt er nur, wenn sie ihm angetragen wird. So auch, als ihm auf merkwürdige Weise eine verflossene Liebe ein Kind überlässt, von dem er nur den Spitznamen kennt. Die unfreiwillige Vaterrolle gibt ihm neuen Halt, zumindest für eine Zeit. Ein inniges Portrait, eine Geschichte über Fürsorge, Schuldgefühle und Familienbande.


Elif Shafak: Das Flüstern der Feigenbäume
Kein & Aber Verlag, 2021

Ich mag Geschichten, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden und die Vergangenheit und Gegenwart verweben. Liebe, Bürgerkrieg, Flucht und Spannung. Eine an manchen Stellen kitschige Geschichte mit tiefsinnigem Plot, Dramatik und gelungener Formulierung.

Die jungen Liebenden Defne und Kostas dürfen sich nur heimlich treffen – sie ist Türkin, er Grieche, es herrscht Bürgerkrieg auf Zypern. Als sie durch die Unruhen getrennt werden, ahnen sie nicht, dass sie Jahre später wieder vereint werden. In einem neuen Leben, auf einer neuen Insel. Die Booker-Prize-nominierte Autorin Elif Shafak verwebt die Vergangenheit mit der Gegenwart und erzählt in diesem tiefschürfenden und zarten Roman über Zugehörigkeit und Identität, Schmerz und Hoffnung.


Bernhard Schlink: Die Enkelin
Diogenes Verlag, 2021

Eine Ost-West-Geschichte, eine Liebesgeschichte, eine Familiengeschichte, ein Abdriften in eine völlig andere Welt. Ich bin eingetaucht in die sehr berührende Geschichte eines Buchhändlers, der sich seiner Enkelin nicht nur physisch behutsam nähert, sondern auch sprachlich vorsichtig versucht ihr Vertrauen zu gewinnen. Bernhard Schlink hat mich mitgenommen in die DDR, hat mich die Verzweiflung der Mutter spüren lassen, die ihr Kind weggibt um für einen anderen Mann frei zu sein, aber er hat mir auch die Liebesgeschichte zweier Menschen erzählt, die sich nie ganz aufeinander eingelassen haben. Und dann habe ich mich plötzlich bei den Völkischen wiedergefunden, habe die Enkelin kennengelernt und habe dann das Buch nicht mehr weggelegt. Wie es endet? Das bleibt offen, aber in gutem Sinne!

Birgit ist zu Kaspar in den Westen geflohen, für die Liebe und die Freiheit. Erst nach ihrem Tod entdeckt er, welchen Preis sie dafür bezahlt hat. Er spürt ihrem Geheimnis nach, begegnet im Osten den Menschen, die für sie zählten, erlebt ihre Bedrückung und ihren Eigensinn. Seine Suche führt ihn zu einer völkischen Gemeinschaft auf dem Land – und zu einem jungen Mädchen, das in ihm den Großvater und in dem er die Enkelin sieht. Ihre Welten könnten nicht fremder sein. Er ringt um sie.

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Sophie Hardcastle: Unter Deck
Kein & Aber, 2021

Was wie eine unterhaltsame Geschichte klingt, beginnt gar nicht beschaulich und lässt ahnen, dass es sich hier um keine leichte Lektüre handelt. Zwar zählt diese Einstiegsbekanntschaft absolut zu den Guten, aber was kommt schlägt Wellen. Nicht nur auf See, auch im Leben der Protagonistin.
Was „Unter Deck“ passiert ist hart, herzlos und erniedrigend, abseits davon ist der Plot aufwühlend, spannend, intensiv, faszinierend und tiefgründig. Man will manchmal, dass es vorbei ist und hofft dennoch, dass noch lange kein Anker gesetzt wird.

Eben fühlte sich Olivia noch aufgehoben in der überwältigenden Magie des Meeres, als die Segelschifffahrt mit fünf gleichaltrigen Männern unvermittelt zum traumatischen Erlebnis wird. Ein wilder, aufwühlender, sprachgewaltiger Roman, der alle Sinne anspricht.



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